Bücher

Bücher lesen heißt, wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne.
-
Jean Paul

Sonntag, 13. September 2020

[Rezension] C. L. Potter - Tod eines Lords - Ein Fall für Maud & Lady Christabel

 

Kurzbeschreibung:

"England 1912. Nach dem Tod ihrer heimlichen Liebe droht die unkonventionelle Lady Christabel in Trauer zu versinken. Ein Wochenende auf dem Landsitz Ashburn Abbey soll Ablenkung bringen. Doch stattdessen stoßen Lady Christabel und ihre neugierige Zofe Maud auf einen Todesfall, der möglicherweise ein Mord war. 

Gemeinsam begeben sich die krimilesenden Damen auf die Suche nach dem Täter - und decken Geheimnisse auf, die besser verborgen bleiben sollen. Bald geraten sie ins Visier des Mörders..."


Fazit:

Ich bin ein Fan des oft zu unrecht belächelten Genres "Cosy-Crime" oder, wie man oft hört "Häkelkrimi". Denn im Gegensatz zum herkömmlichen Krimi oder Thriller, liegt hier nicht das Hauptaugenmerk auf dem Kriminalfall, sondern vielmehr auf den Charakteren des oder der ermittelnden Personen. Wichtiger als der Spannungsfaktor - mit dem ein Krimi steht oder fällt - ist beim Cosy-Crime der Unterhaltungswert. 

Entsprechend wichtig sind die handelnden Personen und bei "Tod eines Lords" war ich bereits nach der Eröffnungsszene ganz begeistert von Maud - und bin es bis zum Schluss geblieben! Überhaupt ist das Gespann aus Lady Christabel und ihrer Zofe Maud ein sehr unterhaltsames. Mag sich Lady Christabel auch für unkonventionell halten, so ist sie dennoch eine höhere Tochter ihrer Zeit und weiß entsprechend wenig von der Welt der meisten Menschen, wohingegen Maud schon so einiges erlebt hat in ihrem Leben.

Während der Ermittlungen des ungleichen Gespanns zeigt das Buch auch deutlich die Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Die strikte Trennung von Upstairs und Downstairs, die unbeugsamen Konventionen, die in beiden Welten gelten, die Leichtlebigkeit und Gedankenlosigkeit der Bessergestellten und die unfairen Lebensbedingungen der Dienstboten. All dies wird im Rahmen der Handlung suggeriert, ohne dass das Buch etwas von seinem unterhaltsamen Leseerlebnis verliert, aber doch so, dass sich der Leser all dessen deutlich bewusst wird. 

Natürlich will man als Leser möglichst viel über die Hintergründe der Protagonisten wissen und so habe ich mehr als einmal mental aufgestampft, wenn die Autorin diverse Andeutungen zu Mauds Vergangenheit machte, aber nie wirklich mit der Sprache herausrückte...dem Titel nach befürchte ich, werde ich mich bis zum dritten Teil gedulden müssen. Aber auch der zweite Band "Lügen einer Lady" verspricht nach dem Cliffhanger am Ende des Buches ein wirklich spannendes Leseerlebnis.

Ich werde Mauds und Lady Christabels Ermittlerdasein auf jeden Fall weiter verfolgen und kann dies auch jedem Liebhaber unterhaltsamer Kriminalromane nur empfehlen!


C. L. Potter

"Tod eines Lords - Ein Fall für Maud & Lady Christabel"

ISBN: 978-3-966986-15-1

Freitag, 4. September 2020

[Rezension] Delia Owens - Der Gesang der Flusskrebse

 

Kurzbeschreibung:

"Chase Andrews stirbt, und die Bewohner der ruhigen Küstenstadt Barkley Cove sind sich einig: Schuld ist das Marschmädchen. Kya Clark lebt isoliert im Marschland mit seinen Salzwiesen und Sandbänken. Sie kennt jeden Stein und Seevogel, jede Muschel und Pflanze. 

Als zwei junge Männer auf die wilde Schöne aufmerksam werden, öffnet Kya sich einem neuen Leben - mit dramatischen Folgen."


Fazit:

"Der Gesang der Flusskrebse" ist das Debut der amerikanischen Autorin Delia Owens, die den Großteil ihres Lebens als Zoologin mit dem Erforschen der Tiere auf dem afrikanischen Kontinent verbracht hat.

Umso erstaunlicher, dass das Buch nicht dort, sondern in den Marschlanden Georgias spielt. Dass diese Gegend für Delia Owens aber eine tiefe Bedeutung hat, wird nach dem Lesen des Buches wohl niemand bestreiten.


"Der Gesang der Flusskrebse" und ich wären uns zufällig wohl nicht näher gekommen. Mit der Zeit habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Spiegel-Bestsellerliste und ich oft einen unterschiedlichen Büchergeschmack haben. Da mir das Buch aber sehr empfohlen wurde, habe ich den Aufkleber auf dem Buchumschlag ignoriert und mich aufgemacht in Kyas Welt.

Dass Klappentexte oft nicht in der Lage sind, das Herz des Buches zu vermitteln oder oft auch nur die Handlung korrekt zu skizzieren, ist keine Seltenheit. Dass dieser hier im Vergleich zum Buch nahezu belanglos klingt, kann man aber wohl nicht dem Verlag, sondern nur der Autorin ankreiden. Denn es ist definitiv nicht möglich, die Fülle an Handlung, Menschen, Flora, Fauna, Gefühl und Farbe auch nur ansatzweise in einige wenige Sätze zu packen - aber beginnen wir am Anfang:

Delia Owens erzählt Kyas Geschichte in zwei Handlungssträngen: Beginnend 1952 mit dem Weggang der Mutter als Kya gerade sechs Jahre alt ist, begleitet der Leser Kya bis ins Erwachsenenalter. Kya ist die Marsch und die Marsch ist Kya, eine symbiotische Zweckgemeinschaft möchte man fast sagen, denn Kya muss in ganz jungen Jahren lernen, allein zu überleben. Nachdem die Mutter die Familie verlassen hat, geht auch ihr einziger Bruder, der außer ihr noch zu Hause lebte, um der Schreckensherrschaft des gewalttätigen Vaters zu entgehen. Nur wenige Jahre später taucht auch dieser nicht mehr auf...

Delia Owens gelingt der Spagat, raumgreifende Emotionen wie Einsamkeit, Isolation und den Hunger nach zwischenmenschlicher Nähe, ebenso wie die Angst vor genau dieser, zu transportieren, ohne dass auch nur ein Hauch Kitsch oder Pathos mitschwingt. Dennoch mag ich ihren Schreibstil nicht als nüchtern bezeichnen, denn Empathie ist ein wichtiger Bestandteil des Ganzen.

Von den Menschen des nahen Küstenstädtchens als "Marschmädchen" und "Sumpfgesindel" abgeurteilt, gibt es nur einige wenige, denen sie am Herzen liegt und die sie an sich heranlässt - aber Kya wird ihren Weg gehen, mehr mag ich nicht verraten.

Der zweite Handlungsstrang, eingestreut zwischen die einzelnen Kapitel, spielt 1969 und geht gegen Ende im ersten auf: Chase Andrews, der große blonde ehemalige Quarterback, respektierter Sohn der Gemeinde und strahlendes Idol so vieler, wird tot im Sumpf aufgefunden. Es ist bekannt, dass er eine Zeitlang eine Beziehung mit Kya hatte und so macht sich der Sheriff auf, der Gerechtigkeit genüge zu tun...

"Der Gesang der Flusskrebse" ist Roman und Kriminalgeschichte, zeigt deutlich die Gesellschaft der Gegend zur damaligen Zeit, demonstriert eine Naturverbundenheit und eine Vielfalt des Marschlandes, die man dort wahrscheinlich nicht vermutet hätte und geht durch den Charakter der Kya, die einem von ganz allein unter die Haut kriecht, dem Leser so ans Herz, dass man Tates Beschützerinstinkt ihr gegenüber mehr als nachvollziehen kann.

Delia Owens hat mit "Der Gesang der Flusskrebse" ein wunderbares Debut vorgelegt und ich hoffe inständig, in Zukunft weiter von ihr zu lesen.


Delia Owens

"Der Gesang der Flusskrebse"

erschienen bei hanserblau