Bücher

Bücher lesen heißt, wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne.
-
Jean Paul

Samstag, 10. Februar 2018

[Rezension] Don Winslow - Missing. New York

Kurzbeschreibung:
"Die ganze Stadt ist in Aufruhr: Die fünfjährige Hailey ist spurlos verschwunden. Vom Täter keine Spur. Einzig Frank Decker glaubt, dass das Mädchen noch lebt, irgendwo versteckt. Er ist der typische Cop, wortkarg und unbestechlich. Doch was niemand ahnt: Er hat ein weiches Herz. Für seine Ex-Frau und die Opfer der Verbrecher. So macht er sich mit unerbittlicher Konsequenz auf die Suche nach Hailey. Er kündigt schließlich sogar seinen Job, packt das Auto voll und folgt einem vagen Hinweis, der ihn nach New York führt. Denn hat er sich einmal in einen Fall verbissen, lässt er nicht locker, bis er ihn - egal wie - gelöst hat. Er ist ein besessener Kämpfer gegen das Unrecht, ein Getriebener, der Gerechtigkeit sucht."

Fazit:
Ich gestehe: Ich habe noch nie zuvor ein Buch von Don Winslow gelesen. Zwar habe ich schon viel von ihm gehört, aber irgendwie kam es nie zu einem literarischen Zusammentreffen zwischen uns. Von daher kann ich nicht sagen, in wieweit "Missing. New York" ein für ihn typisches Buch ist.

Was ich sagen kann, ist, dass man gleich in medias res startet - ein kleines Mädchen ist verschwunden und Decker nimmt die Ermittlungen auf.
Anfangs hatte ich einige Schwierigkeiten mich einzugewöhnen. Ist doch die Ich-Perspektive noch nie mein Favorit gewesen und anfangs sprach die Erzählstimme in meinem Kopf wie in einem "Jerry Cotton"-Heftroman.

Aber Decker war von Beginn an ein Sympathieträger, auch wenn zwischendurch das Mitleid für ihn überwog, kostete ihn seine Besessenheit doch sogar seine Ehe - er konnte seiner Frau nicht die Karriere bieten, die sie von ihm erwartete und sie konnte nicht nachvollziehen, was ihn antrieb. Ihm selbst war das sicher auch nicht klar, allerdings konnte er einfach nicht aus seiner Haut.

Der Lesefluss ist sehr gut, die Handlung abwechslungsreich und spannend. Das Puzzle im Kopf des Lesers verändert sich ständig und man erwägt und verwirft Möglichkeiten, bis die Auflösung einen desillusioniert zurücklässt.

Der Schreibstil ist nüchtern und schnörkellos, wie es zu einem Mann wie Decker paßt. Dennoch kann auch er seine Emotionen nicht immer verbergen, sie scheinen durch die Zeilen, auch wenn sie kaum je direkt angesprochen werden.

Mir hat "Missing. New York" gut gefallen und da ich Decker gern wiederlesen möchte, werde ich wohl früher oder später mit "Germany", dem Nachfolgeband, wieder in Deckers Welt eintauchen.

Don Winslow
"Missing. New York"
ISBN: 978-3-426-30596-6
erschienen bei Droemer Knaur

Mittwoch, 7. Februar 2018

[Rezension] Jeffrey Archer - Kain und Abel

Kurzbeschreibung:
"Nach russischer Kriegsgefangenschaft gelangt Abel Rosnovski, unehelicher Sohn eines polnischen Adligen, mit einem Auswandererschiff nach Amerika. Dort arbeitet er sich zum Hotelmanager hoch. Sein Schicksal kreuzt sich dramatisch mit dem von William Lowell Kane, Erbe eines gigantischen Vermögens, der zum Bankpräsidenten werden soll. Abel hatte ihn einst bewundert - doch dann nimmt, zur Zeit der großen Wirtschaftskrise, ein lebenslänglicher Hass seinen Anfang."

Fazit:
"Kain und Abel" erschien ursprünglich bereits Ende der 70er Jahre und wurde, nach einer Überarbeitung des Autors, die aber an der Handlung nichts verändert hat, neu aufgelegt.

Nachdem ich wehmütig Abschied von der "Clifton"-Saga nehmen musste, hatte ich auf ebensolches Lesevergnügen mit "Kain und Abel" gehofft.

Die Handlung ist, abgesehen davon, dass Familie auch hier eine tragende Rolle spielt, vollkommen unterschiedlich zu der der "Clifton"-Saga, die Faszination, mit der der Leser ins Buch gezogen wird, allerdings ist gleich. Bereits nach wenigen Seiten taucht man ein in die Welt von Abel und William und mag nicht wieder auftauchen.

Die beiden Protagonisten könnten nicht unterschiedlicherer Herkunft sein: Abel, die ersten Jahre in Armut in Polen verbracht, findet erst später heraus, dass er adliger Abstammung ist, was ihm dank der russischen Unterjochung nach dem ersten Weltkrieg aber nichts mehr nützt. Er hat eine Menge auszustehen, bevor er in Amerika ankommt und seine Zukunft in die Hand nimmt. William hingegen wurde bereits privilegiert geboren und hat alle Möglichkeiten, die ihm zur Verfügung standen, genutzt.

Einiges aber haben beide gemeinsam: eine hohe Intelligenz, Ehrgeiz, den Willen, etwas zu erreichen, aber auch Stolz und Sturheit.

Die Geschichte wird aus wechselnder Perspektive erzählt und man möchte eigentlich immer bei dem Protagonisten verweilen, bei dem man gerade ist. Fasziniert verfolgt man die Werdegänge der beiden und schließt sie ins Herz. Allerdings gelingt es den zweien im weiteren Verlauf, immer mehr Antipathie zu sammeln, aufgrund einer Fehde, die irgendwann nur noch durch Sturheit aufrecht erhalten wird.

Dies bildet aber einen wunderbaren Übergang zur nächsten Generation, die auch hier schon zum Tragen kommt, aber sicher in den Folgebänden fortgeführt wird.

Ich kann jedem Liebehaber großartiger Romane "Kain und Abel" nur ans Herz legen und freue mich schon sehr auf den zweiten Teil, der im März erscheinen wird.

Jeffrey Archer
"Kain und Abel"
ISBN: 978-3-453-42203-2
erschienen bei Heyne

Sonntag, 4. Februar 2018

[Rezension] Marc Raabe - Schlüssel 17

Kurzbeschreibung:
"In der Kuppel des Berliner Doms hängt eine grausam zugerichtete Tote mit schwarzen Flügeln: Es ist die prominente Dompfarrerin Dr. Brigitte Riss. Um den Hals trägt sie einen Schlüssel. In den Griff ist die Zahl 17 geritzt. Tom Babylon vom LKA will diesen Fall um jeden Preis. Denn mit diesem Schlüssel verschwand vor vielen Jahren seine kleine Schwester Viola. Doch Tom bekommt eine unliebsame Partnerin für die Ermittlungen. Die Psychologin Sita Johanns fragt sich schon bald, wer in diesem Fall mehr zu verbergen hat: Tom oder der Mörder, der sie beide erbarmungslos vor sich hertreibt."

Fazit:
Als Marc Raabe - Fan der ersten Stunde hab ich mich sehr auf das Erscheinen seines neuen Thrillers gefreut. Dass "Schlüssel 17" der Auftakt einer neuen Reihe ist, gefiel mir ebenfalls, nehme ich doch ungern so bald Abschied von liebgewonnenen Protagonisten.

Allerdings musste ich feststellen, dass es nicht immer einfach ist, Tom Babylon zu mögen, stellt er die Geduld seines Umfelds doch mitunter auf eine harte Probe.

Im Gegensatz zu Raabes bisherigen Thrillern, in denen die Protagonisten, die auf der Suche nach der Wahrheit sind, sich vor der Polizei meist verstecken, ist Tom Babylon beim LKA Berlin. Er trägt ein Trauma mit sich, das in diesem Fall sehr zum Tragen kommt, aber eigentlich müsste man sich generell die Frage stellen, wie diensttauglich Tom Babylon überhaupt ist, auch in Bezug auf seinen Tablettenkonsum.

Davon abgesehen hat Marc Raabe mit "Schlüssel 17" ein Spinnennetz konzipiert, in dem die Ermittler und der Leser die ganze Zeit auf der Suche nach der Spinne sind, aber immer wieder nur über Fliegen stolpern.

Der Lesefluss ist sehr gut, die Spannung mit Händen greifbar - im weiteren Verlauf ist es kaum möglich, das Buch aus der Hand zu legen. Auch die gesamte Geschichte, die sich am Ende offenbart, ist stimmig, aber dennoch in Teilen überraschend - ein wunderbarer Plot.

Allerdings sind mir am Ende zu viele Fragen, auf die ich eine Antwort haben wollte, offen geblieben, das mag ich überhaupt nicht. Hoffen wir auf die Beantwortung der Fragen in der Fortsetzung...

Marc Raabe
"Schlüssel 17"
ISBN: 978-3-548-28913-7
erschienen bei Ullstein