Bücher

Bücher lesen heißt, wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne.
-
Jean Paul

Freitag, 27. Dezember 2019

[Rezension] Jeffery Deaver - Der Todbringer

Kurzbeschreibung:
"Der Tatort, mit dem Amelia Sachs sich konfrontiert sieht, ist einer der schrecklichsten ihrer Karriere: In einem Juweliergeschäft wurden einem branchenberühmten Diamantenhändler sowie einem jungen Paar die Kehlen durchgeschnitten. Noch im Todeskampf hielten die Verliebten sich an den Händen. Der Killer macht offenbar Jagd auf Paare und lauert ihnen in ihren glücklichsten Momenten auf. Und er scheint fest entschlossen, auch alle Zeugen aus dem Weg zu räumen, die den Ermittlern Lincoln Rhyme und Amelia Sachs - selbst frisch verheiratet - helfen könnten, das Morden zu stoppen."

Fazit:
Bereits seit vielen Jahren begleite ich regelmäßig Lincoln und Amelia, die mir mittlerweile natürlich sehr ans Herz gewachsen sind. Aber neben diesen wunderbar menschlichen, intelligenten und manchmal eigentümlichen Charakteren sind es immer die Plots, die Jeffery Deavers Thriller so besonders machen - so auch in "Der Todbringer", dem bereits 14. Teil der Reihe.

In diesem Fall bewegen sich Amelia und Lincoln in der Diamantenbranche, wodurch man beim Lesen automatisch vieles aus diesem Bereich lernt, das einem früher unbekannt war. Doch wir haben es hier nicht mit lehrreichen Monologen zu tun, sondern ein Verbrechen jagt das andere. Entsprechend gut ist der Lesefluss und der Autor schafft es, die Spannung immer hoch zu halten.

Wenn man bereits dreizehn Bände der Reihe gelesen hat, weiß man von vornherein, dass man sich darauf einstellen muss, dass am Ende nichts so ist, wie man vermutet, gedacht, geahnt hatte. Und nur Jeffery Deaver schafft es spielend, dass dann das, was man anschließend für wahr hält, es auch nicht ist und des Rätsels Lösung noch ganz anders - und dass das alles im Nachhinein vollkommen logisch erscheint.

Ein "Lincoln-Rhyme"-Thriller ist immer lesenswert, so auch "Der Todbringer". Zwar gab es ein, zwei Teile, die mir besser gefallen haben, aber wir bewegen uns noch immer auf einem sehr hohen Niveau.

Jeffery Deaver
"Der Todbringer"
erschienen bei blanvalet

Donnerstag, 19. Dezember 2019

[Rezension] Anja Marschall - Tod in der Speicherstadt

Kurzbeschreibung:
"Hamburg 1896: Der Sohn des wohlhabenden Kaffeehändlers Bellingrodt wird tot in der Elbe gefunden. Als Kommissar Hauke Sötje den Eltern die traurige Nachricht überbringt, gerät er in ein gefährliches Geflecht aus Macht, Gier und falscher Liebe. Zu allem Überfluss bittet ihn seine Verlobte Sophie, eine vermisste junge Frau und ihr Kind in der Stadt zu finden. Man hatte die beiden zuletzt vor der Villa der Bellingrodts gesehen..."

Fazit:
Ich bin ein großer Liebhaber historischer Kriminalromane. Ohne alle technischen Raffinessen der heutigen Zeit, dafür mit viel Instinkt, Gespür und Menschenkenntnis machen sich die jeweiligen Ermittler auf, Verbrechen aufzuklären und die Verantwortlichen zu ermitteln. So ist es auch bei Hauke Sötje, ehemaliger Kapitän und nun Kommissar in Kiel.

"Tod in der Speicherstadt" ist der vierte Teil der Reihe um Hauke Sötje, lässt sich aber auch problemlos ohne Vorkenntnisse lesen.

Ein Fall von Schmuggel führt Hauke in die Hansestadt und diese Kulisse, die gerade eröffnete Speicherstadt, ist für mich absolut perfekt gewählt, denn Anja Marschall transportiert die ganz eigene Dynamik dieses wichtigen Handelspunktes Hamburgs mit all den unterschiedlichen Menschen, die sich dort tummeln, ganz hervorragend! Zusammen mit Hauke, dem norddeutschen Thomas Pitt, ergibt sich so eine absolut authentische Atmosphäre.

Nachdem nun die historische Atmosphäre real wurde, ist der Kriminalfall an sich für den Leser ja auch nicht unwichtig und in "Tod in der Speicherstadt" kommt man auf seine Kosten. Die Handlung wird sowohl aus Haukes, als auch aus Sophies Sicht erzählt, so weiß der Leser mehr, als jeder der beiden, dennoch ist es ein beständiges Rätseln im Kopf, die Neugier treibt einen automatisch weiter und gegen Ende wird es so spannend, dass klar ist, man hat es keinesfalls mit einem Häkelkrimi zu tun.

In "Tod in der Speicherstadt" verbindet Anja Marschall historische Kulisse und Kriminalfall vortrefflich miteinander und verschafft dem Leser so spannenden Lesegenuss in hanseatischer Atmosphäre.

Anja Marschall
"Tod in der Speicherstadt"
erschienen im Emons Verlag

Sonntag, 15. Dezember 2019

[Rezension] Marie Lacrosse - Das Weingut - Aufbruch in ein neues Leben

Kurzbeschreibung:
"Die Ehe zwischen dem Dienstmädchen Irene und dem reichen Erben Franz sollte eine Liebesheirat sein. Doch nach einer ungeheuerlichen Enthüllung von Franz' Vater verlässt die schwangere Irene ihren geliebten Bräutigam ohne ein Wort. Einsam bringt sie ihren kleinen Sohn zur Welt und tritt eine Stelle als Textilarbeiterin in einer Fabrik an. Die Bedingungen dort sind grausam, und Irene muss bis zur Erschöpfung arbeiten. Aber dann lernt sie den charismatischen Arbeiterführer Josef kennen, der ihr Kraft und Geborgenheit gibt. Obwohl sie Franz noch immer liebt, beginnt sie eine Beziehung mit ihm. Aber kann Irene den Verlust von Franz wirklich überwinden?"

Fazit:
Sehr gern bin ich in das Elsass zu den Protagonisten zurückgekehrt.
"Das Weingut - Aufbruch in ein neues Leben" ist der zweite Teil von Marie Lacrosses Reihe um eine Weinhändlerfamilie im Elsass. Zum besseren Verständnis der Hintergründe ist es sinnvoll, mit dem ersten Band "Das Weingut - In stürmischen Zeiten" zu beginnen.

Im zweiten Teil verfolgt der Leser gespannt, wie es mit Irene und Franz weiter geht. Gerade durch Maries Perspektive bekommt man einen guten Einblick in Wirtschaft und Gesellschaft der damaligen Zeit - die Zustände in den Fabriken, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter, das erste Aufkommen von Arbeiterverbänden, etc.

Auch die Einblicke, die man durch Franz' Mutter bzw. ihren Aufenthalt in der Irrenanstalt erhält, lassen in Abgründe blicken.

So ist auch der zweite Band mitreißend und einnehmend. Der Lesefluss ist sehr gut, Langeweile gibt es nicht und man fiebert mit jedem einzelnen Protagonisten mit.
Natürlich möchte ich das Ende nicht vorwegnehmen, aber anmerken, dass ich jetzt ein wenig Angst habe, den dritten Band zu lesen...

Marie Lacrosse
"Das Weingut - Aufbruch in ein neues Leben"
erschienen im Goldmann Verlag

Samstag, 14. Dezember 2019

[Rezension] Jeffrey Archer - Triumph und Fall

Kurzbeschreibung:
"Im Londoner East End verkauft der junge Charlie Trumper Obst und Gemüse auf der Straße. In sehr ärmlichen Verhältnissen lebend, träumt er davon, einmal das größte Kaufhaus der Welt zu besitzen. Aber die Zeiten sind hart, und der Erste Weltkrieg reißt Charlie zunächst aus seinen Träumen. Doch auch die schlimmsten Feinde und Widerstände, selbst eine große tragische Liebe, können ihn nicht aufhalten..."

Fazit:
Wer bereits Bücher von Jeffrey Archer gelesen hat, weiß, dass er zu den Schriftstellern gehört, die den Leser komplett in das Leben, die Zeit, die Handlung hineinziehen können.

So begleitet "Triumph und Fall" das Leben von Charlie Trumper von Beginn an - die Verwirklichung des amerikanischen Traums, wenn auch in London. Man kann Charlie nicht nicht mögen, so geht es einem meist mit den Protagonisten von Jeffrey Archer.

Anfangs auf Charlie beschränkt, erweitert sich der Kreis der Perspektiven im Verlauf der Handlung und der Leser erhält ein umfassendes Bild - nicht nur von Charlie und seiner Familie, auch von den politischen und gesellschaftlichen Bewegungen und Veränderungen der Zeit, vom Unterschied der normalen Bürger zum alten Adel, von Stadt und Land. Gerade, wenn man es sich mental gemütlich gemacht hat und sich trotz diverser Zwistigkeiten und Fallstricke - schließlich muss auch die Gegenwart von Antagonisten gerechtfertigt werden - sehr wohl fühlt, rammt der Autor dem Leser hinterrücks das Messer in den Rücken - so zumindest kam es mir vor, ich wurde absolut kalt erwischt!

Der Lesefluss ist gewohnt gut, Jeffrey Archer erschafft auf fast 900 Seiten ein Epos, das es wert ist, gelesen zu werden und den Leser auch hinterher noch lange beschäftigt.

Jeffrey Archer
"Triumph und Fall"
erschienen im Heyne Verlag

[Rezension] Simon Geraedts - Sei brav und stirb

Kurzbeschreibung:
"Seit Monaten wird Marie von einem Arbeitskollegen belästigt. Da dessen Vater im Vorstand sitzt, lässt sie die widerlichen Annäherungsversuche stillschweigend über sich ergehen.
Eines Morgens betritt ein unheimlicher Kunde ihr Büro und bietet Marie an, das Problem aus der Welt zu schaffen. Toni ist ein verurteilter Mörder, der eine lebenslange Haftstrafe verbüßt hat. Notgedrungen nimmt Marie seine Hilfe an und setzt damit eine albtraumhafte Spirale aus Hass und Gewalt in Gang. Durch ihren verzweifelten Versuch, aus den Fängen dieses brutalen Mannes zu entkommen, landet sie selbst auf der Todesliste..."

Fazit:
"Sei brav und stirb" ist das erste Buch von Simon Geraedts, das ich gelesen habe. Der Klappentext klang nach spannender Unterhaltung, wie geschaffen für einen gemütlichen Lesenachmittag.
Nach kurzer Zeit allerdings war es aus mit der Gemütlichkeit, denn Simon Geraedts schafft schon sehr früh eine Atmosphäre gespannter Erwartung. Der Leser weiß, dass etwas Schreckliches passieren wird und er es nicht wird verhindern können, aber ab diesem Moment hat man das Gefühl, ständig über die Schulter schauen zu müssen. Wie recht man mit dieser Vermutung hat, zeigt sich im Verlauf der Handlung, welche Dimensionen das Grauen annimmt, kann man aber nicht vorhersehen oder erahnen.

Ich hätte beinahe geschrieben, der Lesefluss ist sehr gut - das wäre aber zu nichtssagend, denn der Lesefluss ist eher zwingend - man hat keine Chance, zwischendurch zu pausieren, weil man nicht einmal ein einziges Auge vom weiteren Geschehen abwenden mag.

Der Autor hält dieses hohe Level an Atmosphäre und Spannung bis zum Schluss und fast ist man ein wenig erleichtert, wenn man das Ende erreicht hat und wieder durchatmen kann. Ich habe schon lange keinen derartigen Thriller mehr lesen dürfen und bin mehr als begeistert. Allerdings sollte man gewarnt sein: Der Thriller ist nichts für schwache Nerven und mitunter sehr plastisch - also vielleicht während des Lesens auf essen verzichten...

Simon Geraedts
"Sei brav und stirb"

Mittwoch, 4. Dezember 2019

[Rezension] Britta Orlowski - Dezembertage

Kurzbeschreibung:
""Dieses Weihnachten wird alles anders", sagt seine Mutter, und Matt glaubt zunächst, sich verhört zu haben. Wieso der plötzliche Sinneswandel?
Muss sie ausgerechnet von Arizona in ein Kaff in Maryland fahren wollen? Er hatte anderes vor, als den Chauffeur nach St. Elwine zu spielen. Stattdessen gerät Matt in ein Familienchaos vom Feinsten.
Emma, ebenfalls unfreiwillig in St. Elwine, nimmt einen Job im Maple-Lodge an. Sexy Matt, auf den sie dort trifft, reizt sie allenfalls für einen One-Night-Stand - darüber hinaus ist sie nur daran interessiert, das Doppelleben ihres Vaters aufzudecken.
Gezwungenermaßen muss sie mit Matt sehr viel näher zusammenrücken, als ihr lieb ist, während ein Schneesturm die Stadt komplett lahmlegt."

Fazit:
"Dezembertage" ist der sechste Band von Britta Orlowskis "St. Elwine"-Reihe. Allerdings kann man diesen, wie auch die anderen Bände, unabhängig voneinander lesen. Ist man öfter in St. Elwine unterwegs, ist es aber schön, dass man immer wieder auf alte Bekannte trifft. Überhaupt hat man mittlerweile das Gefühl, St. Elwine und seine Bewohner schon ewig zu kennen und sich dort sehr wohl zu fühlen.

Das hervorstechende Merkmal von Britta Orlowskis Büchern ist immer, dass die Protagonisten absolut lebensecht sind - kein Gekünzel, keine Show - man hat durchweg das Gefühl, es mit realen Personen zu tun zu haben. Außerdem ist, auch wenn es natürlich viel Trubel, Missverständnis und Ärger gibt, immer viel Herz mit von der Partie und das, ohne dass es kitschig wird. Da macht "Dezembertage" keine Ausnahme.

Entsprechend sehr gut ist der Lesefluss - bei mir hat es gar nicht bis zu den ersten Dezembertagen gereicht, ich mochte mich gar nicht von der Maple-Lodge lösen.

Die Handlung ist unterhaltsam und abwechslungsreich, der Leser begleitet sowohl Matt als auch Emma, beide mitten in Familiendramen verstrickt, auf der Suche nach einer Lösung. Dazu die vorweihnachtliche Atmosphäre, die vom Buch auf den Leser überspringt - man kann gar nicht anders, als es sich gemütlich zu machen und weiterzulesen. Leider ist man dann wieder einmal viel zu schnell am Ende angelangt... das ist aber auch mein einziger Kritikpunkt!

"Dezembertage" ist für neue und alte St. Elwine - Fans ein absolutes Must-Read in der Weihnachtszeit!

Britta Orlowski
"Dezembertage"
erschienen im Bookshouse Verlag

Sonntag, 1. Dezember 2019

[Rezension] John Katzenbach - Der Verfolger

Kurzbeschreibung:
"Vor fünf Jahren konnte Psychiater Dr. Frederick Starks dem Killer "Rumpelstilzchen", der ein perfides Spiel mit ihm trieb, entkommen. Jetzt taucht der tot geglaubte Killer wieder auf und stellt Dr. Starks vor die Wahl: einen Unbekannten aufzuspüren und zu töten, der seit einiger Zeit "Rumpelstilzchen" bedroht, oder zu sterben. Einmal mehr wird Dr. Starks in ein albtraumhaftes Katz-und-Maus-Spiel verstrickt, bei dem nichts ist, wie es scheint."

Fazit:
Ich habe festgestellt, dass selbst eingefleischten Crimethrill-Fans John Katzenbach oft kein Begriff ist. Für mich überraschend, denn alles, was ich im Lauf der Jahre von ihm gelesen hat, hat mir sehr gut gefallen.

"Der Verfolger" ist praktisch das Rückspiel zu "Der Patient", wobei man das Buch nicht gelesen haben muss, wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann, denn alles, was für die Handlung in "Der Verfolger" relevant ist, wird dem Leser auch hier mitgeteilt.

Im Prinzip handelt es sich hier um eine physische und psychische Roadstory, denn als Dr. Starks einmal realisiert hat, dass das neue Leben, das er sich in den letzten Jahren aufgebaut hat, eine Illusion ist, kommt er nicht mehr zur Ruhe und muss ständig unterwegs und auf der Hut sein.

Der Lesefluss ist sehr gut, was an John Katzenbachs einnehmendem Schreibstil liegt, aber natürlich auch maßgeblich an der intelligenten Handlung und dem durchgängig guten Spannungsbogen.
Ich mag intelligente Plots, die den Leser fordern, was leider in der Thrillerbranche oft etwas kurz kommt oder zu Lasten der Spannung geht und dieses Gleichgewicht schafft John Katzenbach wie gewohnt scheinbar spielend.

Von meiner Seite definitiv eine Leseempfehlung für Fans von John Katzenbach und allen Lesern, die intelligente Psychothriller mögen!

John Katzenbach
"Der Verfolger"
erschienen bei Droemer Knaur

Donnerstag, 14. November 2019

[Rezension] Michaela Küpper - Der Kinderzug

Kurzbeschreibung:
"Das Ruhrgebiet im Sommer 1943. Die junge Lehrerin Barbara soll eine Gruppe Mädchen im Rahmen der sogenannten Kinderlandverschickung begleiten. Angst, aber auch gespannte Unruhe beherrschen die Gedanken der Kinder, die nicht wissen, was sie erwartet. Das Heim auf der Insel Usedom, das ihr zeitweiliges Zuhause werden soll, erweist sich zunächst als angenehme Überraschung, doch dann muss dieses geräumt werden. Es beginnt eine Odyssee, die nicht nur die Kinder, sondern auch Barbara an ihre Grenzen führt, denn mehr und mehr wird sie, die sich bisher aus der Politik herauszuhalten versucht hat, mit der Realität und den grausamen Methoden der Nationalsozialisten konfrontiert. Als schließlich ein Mädel verschwindet und ein polnischer Zwangsarbeiter verdächtigt wird, kommt für die Lehrerin die Stunde der Entscheidung."

Fazit:
Natürlich war mir der Begriff "Kinderlandverschickung" geläufig, aber ein Buch, bei dem sie im Vordergrund stand, hatte ich bisher nicht gelesen.

In "Der Kinderzug" beschreibt Michaela Küpper in schnörkelloser Schreibweise, was, stellvertretend für viele solcher Kindergruppen, dieser alles widerfährt, aber auch, wie unterschiedlich die Dinge verkraftet und wahrgenommen werden.

Der Leser darf an verschiedenen Perspektiven teilhaben und so einen umfassenden Eindruck erhalten. Anfangs ein Abenteuer und eine willkommene Abwechslung vom Alltag mit ständigem Fliegeralarm, starten die Kinder in ein neues Leben, das offiziell nur drei Monate dauern soll. Doch alles kommt anders....

Die Autorin beschreibt hier nicht nur die Odyssee der verschickten Kinder samt ihrer Lehrerin, sondern gibt Einblick in viele Bereiche: wie selbstverständlich Krieg, HJ und BDM sind - kennen die Kinder es doch nicht anders; wie die Desillusionierung der jungen Lehrerin mit der Zeit immer mehr zunimmt, bis sie feststellen muss, dass sie kurz vor Ende des Krieges von der Regierung praktisch vergessen und vollkommen auf sich gestellt wurde; wie aus verschickten Jungs mit HJ-Drill doch noch traumatisiertes Kanonenfutter wird, welche Behandlung Behinderte im Dritten Reich erwartete...

Der nüchterne Schreibstil der Autorin ist vonnöten, um die vielen Eindrücke und Schrecknisse überhaupt verarbeiten zu können, wobei man nüchtern oder schnörkellos keinesfalls mit gefühllos verwechseln sollte.

In "Der Kinderzug" von Michaela Küpper erhält der Leser mehr als nur den Ausflug der Kinderlandverschickung, sondern einen Schnitt quer durch die Gesellschaft der damaligen Zeit und in viele unterschiedliche Biografien - sehr eindrucksvoll!

Michaela Küpper
"Der Kinderzug"
erschienen bei Dromer Knaur

Dienstag, 12. November 2019

[Rezension] Karen Rose - Todesfalle

Kurzbeschreibung:
"Hinter einem Sessel versteckt sich die elfjährige Jazzie vor dem Mann, der eben ihre Mutter im Zorn erschlagen hat. Sie hat ihn sofort erkannt - er aber hat sie nicht gesehen. Kein Wort wird Jazzie sagen, denn nur so kann sie sich und ihre kleine Schwester vor dem Bösen schützen.

Die beiden traumatisierten Mädchen kommen in einem Therapieprogramm unter und fassen langsam Vertrauen zu der jungen Praktikantin Taylor. Taylor ahnt, dass Jazzie weiß, wer ihre Mutter getötet hat. Was Taylor nicht ahnt: Der Killer hat längst beschlossen, sie alle drei aus dem Weg zu räumen."

Fazit:
"Todesfalle" ist der fünfte Teil von Karen Roses "Baltimore"-Reihe, lässt sich aber, wie üblich bei Karen Rose, auch vollkommen ohne Vorkenntnis der Reihe lesen.

Karen Rose und ich hatten keinen leichten Start, denn das erste Buch der Autorin, das ich vor Jahren gelesen habe, hat mir überhaupt nicht gefallen. Gut für mich, dass ich ihr einige Zeit später mit einem anderen Buch eine neue Chance gab, denn "Todeskleid" hat mich so fasziniert, dass ich im Anschluß der gesamten "Dornen"-Reihe entgegen gefiebert habe. Nachdem wir von Cincinnati nun Abschied nehmen mussten, bin ich der Autorin dann gern nach Baltimore gefolgt.
Ebenfalls sehr gut gefällt mir, dass auch immer mal wieder ein Charakter aus einer anderen Reihe wieder auftaucht - so natürlich auch in "Todesfalle".

Wer Spannung gepaart mit einer Romanze nicht mag, wird nie ein Fan von Karen Rose werden. Was mich hingegen immer wieder begeistert ist, dass sie es, wie kaum ein Autor, schafft, beides gleichberechtigt nebeneinander agieren zu lassen. Viel zu oft steht nur eins von beidem im Vordergrund und das andere läuft eher nebenher. In "Todesfalle", wie auch in der gesamten "Dornen"-Reihe hat beides seinen Platz: Taylor und Ford müssen sich ihren eigenen Dämonen stellen, um eine Basis füreinander zu finden, wobei es natürlich mitunter sehr gefühlvoll zugeht, aber der Kriminalfall an sich ist spannend und mitreißend und zieht den Leser ebenso mit!

Entsprechend ist der Lesefluss sehr gut und bei rund 600 Seiten wartet man bei jeder Unterbrechung darauf, endlich weiterlesen zu dürfen. Trotz einer Vielzahl an Charakteren sind diese so unterschiedlich und eigenständig, dass keine Verwechslungsgefahr besteht und am Ende fühlt man sich auch als Leser als Teil dieser großen, liebenswerten Familie.

Natürlich kann ich für "Todesfalle" nur eine uneingeschränkte Leseempfehlung geben!

Karen Rose
"Todesfalle"
erschienen bei Droemer Knaur

[Rezension] Cara Lindon - Weihnachtswunderträume

Kurzbeschreibung:
"Seitdem die Buchhalterin Gemma in Cornwall wohnt, hat sie alles, was man sich wünschen kann: einen liebevollen Freund, eine traumhafte Karriere und die allerbesten Freundinnen. Leider spielt sich alles nur in ihrer blühenden Fantasie ab.
Als sie ihr Leben ändert und sich einen neuen Job sucht, lernt sie Ryan kennen. Bald bringt er ihr Herz zum Fliegen. Allerdings glaubt Gemma weder an die Liebe noch an Weihnachtswunder. Wird es Ryan gelingen, sie vom Gegenteil zu überzeugen?
Dummerweise verbirgt er ein Geheimnis, von dem Gemma besser nicht erfahren sollte."

Fazit:
Wird es draußen kalt und ungemütlich, gibt es kaum etwas Schöneres, als es sich mit einem richtig schönen Liebesroman zu Hause gemütlich zu machen.
Da ich Cara Lindons "Cornwall-Seasons" begeistert gelesen habe, habe ich mich gefreut, mit Gemma und Ryan an den Schauplatz zurückzukehren.
Natürlich kann man "Weihnachtswunderträume" auch lesen, wenn man die "Cornwall-Seasons" nicht kennt, da Gemmas Geschichte vollkommen eigenständig ist.

Ein Liebesroman in vielen Belangen vorhersehbar - das ist gut und richtig so. Umso wichtiger allerdings, dass es dennoch weder oberflächlich noch langweilig wird. Ein Liebesroman lebt vom Schreibstil des Autors und von den Charakteren. Beides ist in "Weihnachtswunderträume" kein Anlass zur Sorge!

Cara Lindons Schreibstil ist wie gewohnt einnehmend und unterhaltsam, entsprechend gut ist der Lesefluss und ich habe am Ende wirklich, wirklich ungern Abschied von Gemma und Ryan genommen.
Unsere Protagonisten ergänzen sich einfach gut: Ryan ist.....Ryan - also praktisch der perfekte Mann: Natürlich sieht er sehr gut aus, ist intelligent, gebildet und möchte lieber Tischler als Unternehmersohn sein. Außerdem ist er ein total integrer, lieber Kerl, dem - natürlich - das Herz gebrochen wurde. Selbstverständlich ist das zu schön um wahr zu sein, aber man wird doch noch träumen dürfen?
Gemma hingegen ist nur allzu menschlich - ihr mausartiges Äußeres mochte sie noch nie, seit ihre Mutter sie und ihren Vater verließ, ist es mit ihrem Vertrauen in Liebe und Beziehungen nicht allzu weit her und ihren Job kann sie sehr gut, mag sie aber überhaupt nicht. Dazu ist sie eine Tagträumerin, die sich mitunter so in ihren eigenen Kopf verirrt, dass im echten Leben Missgeschicke unvermeidlich sind.
Beide zusammen ergeben ein so liebenswertes Paar, dass man schlicht nur mit ihnen mitfiebern kann!

Kurz gesagt ist "Weihnachtswunderträume" das perfekte Buch für winterliche Lesestunden!

Cara Lindon
"Weihnachtswunderträume"

Dienstag, 22. Oktober 2019

[Rezension] Leigh Bardugo - King of Scars

Kurzbeschreibung:
"Nikolai Lantsov hat schon viele Titel getragen, doch "Zar" ist bislang der gefährlichste davon. Niemand weiß, was der junge Herrscher Ravkas während des blutigen Bürgerkrieges durchgemacht hat - und wenn es nach ihm geht, soll das auch so bleiben. Denn seither regt sich eine dunkle Magie in ihm, die alles zu zerstören droht, was er aufgebaut hat.
Während die legendäre Grisha Zoya verzweifelt versucht, Nikolais gefährliches Geheimnis zu wahren und ihn in seinem Kampf gegen die düstere Macht zu unterstützen, sammeln sich an den Grenzen Ravkas bereits neue Feinde, und der junge Zar muss sich der wachsenden Bedrohung für sein geschwächtes Land stellen."

Fazit:
Mit "King of Scars" hat Leigh Bardugo eine weitere Geschichte dem "Grishaverse", also dem "Universum der Grisha" hinzugefügt.
Da der Fokus in "King of Scars" auf Nikolai Lantsov liegt, muss man nicht alle bisherigen Bücher gelesen haben. Denjenigen, die die "Grisha-Trilogie" gelesen haben, dürfte Nikolai bereits ein Begriff sein und wer die "Krähen-Duologie" um Kaz Brekker und Ketterdam kennt, hat bereits Bekanntschaft mit Nina Zenik gemacht, die in "King of Scars" ihre eigene Perspektive erhält. Dennoch lässt sich "King of Scars" natürlich auch lesen, wenn man bisher keinen Einblick ins "Grisha-Verse" hatte, allerdings dauert es vielleicht etwas, bis man Wesen und Möglichkeiten der Grisha einordnen kann.

Wie auch bei den Krähen, hat Leigh Bardugo mich bei "King of Scars" direkt mitgenommen, kein Wunder bei dem spannenden Einstieg ins Geschehen. Die Handlung ist komplex und in unterschiedliche Perspektiven aufgeteilt, allerdings verliert man nie den Überblick, wird aber des öfteren von den Winkelzügen der Autorin überrascht - entsprechend gut ist der Lesefluss. Langeweile gibt es nicht, oft überschlagen sich die Ereignisse, sodass man manchmal kaum zum Atemholen kommt.

Die Charaktere sind wie gewohnt teils sehr speziell, aber immer bildhaft und lebensecht, denn natürlich sind auch Grisha nur Menschen mit Stärken und Schwächen.

Mit dem "Grisha-Verse" hat Leigh Bardugo eine vielseitige Welt geschaffen, die viel Raum für unterschiedliche Geschichten und Katastrophen bietet und mit "King of Scars" hat sie ein sehr gelungenes, mitreißendes Buch hinzugefügt.

Leigh Bardugo
"King of Scars - Thron aus Gold und Asche"
erschienen bei Droemer Knaur


[Rezension] Marie Lacrosse - Das Weingut - In stürmischen Zeiten

Kurzbeschreibung:
"Weißenburg im Elsass im Jahr 1870: Die junge Waise Irene kommt als Dienstmädchen in das Herrenhaus des reichen Weinhändlers Wilhelm Gerban. Dessen Sohn Franz glaubt an die Ideale der französischen Revolution, wofür sein Vater wenig Verständnis hat. Als Irene auf Franz trifft, verlieben die beiden sich leidenschaftlich ineinander. Doch nicht nur Standesschranken und familiäre Intrigen stehen ihrer Beziehung im Wege. Auch am europäischen Horizont ziehen dunkle Wolken auf: Ein furchtbarer Krieg bricht aus. Gegen alle Widerstände kämpfen die beiden jungen Leute um ihr Glück. Bis das Schicksal unbarmherzig zuschlägt..."

Fazit:
"Das Weingut - In stürmischen Zeiten" ist der erste Teil von Marie Lacrosse's Reihe rund um das Weingut und seine Bewohner.

Je mehr man liest, desto weniger Bücher gibt es, bei denen man schon nach wenigen Seiten weiß, dass man sie lieben wird - unabhängig davon, was auf den weiteren über 600 Seiten noch geschehen mag - so erging es mir bei "Das Weingut". Noch bevor man überhaupt im Elsass angekommen ist, hatte mich die Autorin bereits eingefangen. Ich kann nicht einmal genau sagen, woran das lag - anfangs befinden wir uns in einer Gebäranstalt, also keine sehr einnehmende Kulisse, aber der Schreibstil und die Erwartung auf das noch kommende Geschehen hatten mich direkt mitgenommen.

Daran hat sich auch im Verlaufe des Buches nichts geändert. Der Schreibstil ist wunderbar, entsprechend der Lesefluss auch. Marie Lacrosse kann hervorragend Gefühle transportieren, unabhängig davon, ob es sich um positive oder negative handelt und auch ohne viele Worte machen zu müssen, vermittelt sie ebenfalls das Grauen des Krieges, sodass sich ob der desolaten Lage der französischen Armee auch dem Leser die Haare aufstellen.

Ebenfalls sehr gut gefallen haben mir die einzelnen Charaktere - was nicht heißen soll, dass diese alle ein einnehmendes Wesen hätten, mitnichten. Marie Lacrosse lässt aber auch die verschlagenen, intriganten, neidischen Personen sehr lebensecht durch den Kopf des Lesers wandeln.

"Das Weingut - In stürmischen Zeiten" ist eine sehr gelungene Mischung: Natürlich der Gegensatz Herrschaft / Dienerschaft, der immer Stoff für Unterhaltung und Konflikte bietet, dann die Beziehung von Franz und Irene, denen wirklich nichts erspart bleibt, umwoben von einer Geschichte und Begleitumständen, die die Abgründe manch menschlicher Seele erahnen lassen und all dies eingebettet in den historischen Kontext des Deutsch-Französischen-Krieges von 1870/1871, der natürlich gerade im Elsass niemanden unberührt ließ.

Nach dem Ende des Buches bin ich sehr froh, dass auch die beiden weiteren Bände bereits verfügbar sind und ich bin sehr gespannt, was das Schicksal in "Das Weingut - Aufbruch in ein neues Leben" noch für die Protagonisten bereithält.

Marie Lacrosse
"Das Weingut - In stürmischen Zeiten"
erschienen im Goldmann Verlag

Freitag, 27. September 2019

[Rezension] Nora Elias - Königsberg - Bewegte Jahre

Kurzbeschreibung:
"Ostpreußen Anfang des 20. Jahrhunderts: Victoria, Tochter des Gutsbesitzers Carl von Reichenbach, genießt ein mondänes Leben, bis sie an den falschen Mann gerät und ihr Leben eine tragische Wendung erfährt. Leonhard von Schletters Tochter Helene hingegen versucht sich als Pferdezüchterin und möchte, dass ihr gelingt, was ihrem Großvater versagt geblieben ist - das Gut in moderne Zeiten führen. Was die Lage der beiden Frauen nicht einfacher macht, ist die Feindschaft, die seit langem ihre Väter entzweit und auch vor ihren Brüdern nicht Halt macht.
Während die Welt am Abgrund steht, bestimmen Intrigen und Verrat das Schicksal der beiden Familien."

Fazit:
"Königsberg - Bewegte Jahre" ist der zweite Teil von Nora Elias' "Königsberg-Saga". Um sämtliche Hintergründe verstehen zu können, sollte man den ersten Band gelesen haben, da aber in "Bewegte Jahre" eher die Kinder der Protagonisten des ersten Bandes im Fokus stehen, kann man die Handlung auch verstehen, ohne das erste Buch zu kennen.

Hatte ich beim ersten Teil Probleme in die Handlung zu finden, gilt dies nicht für den zweiten Band. Zwar musste ich anfangs die Namen im Kopf den beiden Familien zuordnen, aber ich habe sehr schnell ins Geschehen gefunden. Und es geschieht so einiges, Langeweile sucht man im geruhsamen Landleben vergebens. Und natürlich wird durch den Kriegsbeginn alles auf den Kopf gestellt...

Der Lesefluss ist sehr gut, die Handlung unterhaltsam, abwechslungsreich und mitunter ziemlich tragisch, aber immer lebensecht. Durch den Wechsel der Perspektiven bekommt man neben den beiden Gutshöfen auch das weitere Geschehen in Masuren um Magdalena mit und ist so mit ihr mehr verbunden als es ihre Familie sein kann.

Positiv aufgefallen ist mir auch, wieviel man vom damaligen Leben mitbekommt einfach dadurch, dass die Charaktere sehr unterschiedlich sind und so auch - manchmal bedingt durch die Lebensumstände, manchmal als Folge ihrer Handlungen - ein anderes Weltbild vermitteln.

Das einzige, was meinen Lesefluss mitunter beeinträchtigt hat, waren die Zeitsprünge: innerhalb der Teile immer mal wieder kleinere, zwischen den Teilen auch mehrere Jahre - so musste man immer erst wieder schauen, wo welche Person jetzt eigentlich steht, das fand ich mitunter etwas anstrengend.

Insgesamt aber hat mir "Königsberg - Bewegte Jahre" wirklich gut gefallen und durch den Cliffhanger am Schluss wird man nun Mutmaßungen wälzen, bis wir wieder zurück nach Königsberg können.

Nora Elias
"Königsberg - Bewegte Jahre"
erschienen im Goldmann Verlag

Donnerstag, 26. September 2019

[Rezension] Petra Durst-Benning - Die Fotografin - Die Zeit der Entscheidung

Kurzbeschreibung:
"Die Wanderfotografin Mimi Reventlow lebt seit einiger Zeit in der kleinen Leineweberstadt Laichingen und kümmert sich um ihren kranken Onkel Josef. Durch ihre offene Art ist es ihr gelungen, die Herzen der Dorfbewohner zu erobern und Freundschaften zu knüpfen. Als eine Katastrophe das Dorf erschüttert, wird sie mit ihren wunderschönen Fotografien für viele der Bewohner gar zum einzigen Rettungsanker.
Doch nach einer schweren menschlichen Enttäuschung muss Mimi erkennen, dass sei sich nicht nur in ihrem Foto-Atelier dem schönen Schein hingegeben hat, sondern auch im wahren Leben. Für Mimi ist die Zeit der Entscheidung gekommen."

Fazit:
"Die Fotografin - Die Zeit der Entscheidung" ist der zweite Teil der Reihe von Petra Durst-Benning um Mimi Reventlow.
Im ersten Teil hatte ich mit der Person der Mimi Reventlow so meine Probleme, wurde erst gegen Ende des Buches mit ihr warm und habe ernsthaft überlegt, ob es für mich sinnvoll wäre, den zweiten Band zu lesen.

Der Klappentext klingt etwas abstrakt und theatralisch, was Handlung und Personen nicht gerecht wird.
Denn das Leben in Laichingen und seine Bewohner sind definitiv lebensecht und fest in ihrer meist harten Realität verankert.

Mittlerweile bin ich sehr froh, es noch einmal mit Mimi versucht zu haben, denn in "Die Zeit der Entscheidung" kommen Mimi und ich wunderbar zurecht. Möglicherweise, weil auch sie sich in eine Realität und eine Welt einfindet, die so gar nicht ihre ist. Als Pfarrerstochter aus gutem Hause aufgewachsen, wird sie hier nun mit bitterer Armut, teils unmenschlichen Arbeitsbedingungen und wenig Hoffnung konfrontiert.

All das klingt schrecklich deprimierend, aber das ist die Handlung meistens gar nicht, denn der Mensch versucht in der Regel, das Beste aus seiner Lage zu machen und so haben auch die Charaktere im Buch ihre positiven Seiten, ihre schönen Momente und ihre Hoffnungen in die Zukunft, die manchmal tatsächlich Wirklichkeit werden.

Der Lesefluss ist sehr gut, was mich gefreut hat; die Handlung abwechslungsreich und mitreißend und gegen Ende dermaßen traurig, dass man gar nicht weiterlesen möchte, aber das Buch dennoch nicht beiseite legen kann - sehr ergreifend!

Am Ende steht ein Umbruch, sodass man gleichzeitig hoffend und bangend auf die Fortsetzung wartet.

Petra Durst-Benning
"Die Fotografin - Die Zeit der Entscheidung"
erschienen bei blanvalet

Freitag, 20. September 2019

[Rezension] Karen Sander - Wenn ich tot bin

Kurzbeschreibung:
"Nach zehn Jahren in der Gewalt ihres brutalen Peinigers gelingt der 19-jährigen Madelin McFarland die Flucht. Ihre Mutter Susan ist überglücklich, die totgeglaubte Tochter in die Arme schließen zu können. Doch wenige Stunden später ist Madelin erneut verschwunden, Susans Mann liegt schwerverletzt in der Küche, und ihre jüngere Tochter Harper ist so verstört, dass sie kein Wort mehr spricht. Detective Sergeant Kate Fincher von der Polizei Edinburgh setzt alles daran, Madelin zu finden. "Amy", wie sich die junge Frau nun anscheinend nennt, flieht in die Highlands - doch vor wem?"

Fazit:
Den meisten Lesern ist Karen Sander mit Sicherheit durch die Reihe um Stadler und Montario bekannt. Mit "Wenn ich tot bin" hat sie sich diesmal für ein Stand-alone entschieden. Auch wenn ich natürlich gern einen weiteren Teil der Reihe gelesen hätte, konnte ich "Wenn ich tot bin" dennoch nicht widerstehen.

Nachdem sie fast 10 Jahre verschwunden war, taucht Madelin plötzlich am Haus ihrer Mutter auf, nur um kurz darauf wieder zu verschwinden. Ab diesem Moment beginnt das Rätselraten im Kopf des Lesers und das wird auch so bleiben. Denn Karen Sander hat in "Wenn ich tot bin" jede Menge Hinweise gestreut, die mehr als einmal in einer Sackgasse enden. Das Spannungsniveau ist durchweg hoch und auch der Lesefluss ist sehr gut. Langeweile sucht man vergebens und der intelligente Plot fordert beim Leser Konzentration und Aufmerksamkeit. Das alles gipfelt in einem Abschluß, den man so sicher nicht erwartet hätte.

"Wenn ich tot bin" von Karen Sander ist insgesamt ein sehr gelungener Thriller, der alles mitbringt, was spannende Unterhaltung benötigt.

Karen Sander
"Wenn ich tot bin"
erschienen im Rowohlt Verlag

Donnerstag, 19. September 2019

[Rezension] Sarah Saxx - Extended hope: Hayley & Aaron

Kurzbeschreibung:
"Wozu braucht man einen Mann, wenn man einen originalgetreuen Abdruck des besten Stückes aus Latex in der Nachttischschublade hat und dieser noch dazu herausragende Dienste leistet? So zumindest denkt Hayley Adams,  obwohl sie Aaron Guerra, dem Kumpel ihres Bosses, häufiger als sonst über den Weg läuft und er für ihr Sexspielzeug vor Jahren - ohne es zu wissen - Modell gestanden hat. Doch auch wenn Aaron charmant und sexy ist und seit Neuestem mit ihr flirtet, setzt sie alles daran, ihre Beziehung auf der freundschaftlichen Ebene zu belassen.
Hayley kann nicht leugnen, dass er eine gewisse Faszination auf sie ausübt, wäre da nicht der Familienfluch, der vielleicht auch auf ihr lastet. Zudem scheint Aaron ein richtiger Herzensbrecher zu sein und ist Gastgeber jener Partys, auf denen es keine Tabus gibt. Dass die Frauen völlig verrückt nach ihm sind, liegt also auf der Hand, und warum sollte er sich dann gerade für Hayley interessieren, an der das Außergewöhnlichste ihre rosaroten Haare sind?"

Fazit:
"Extended hope" ist der zweite Teil der "Extended"-Reihe von Sarah Saxx, lässt sich aber auch problemlos lesen, wenn man den ersten Teil "Extended trust" nicht gelesen hat.
Allen Lesern, die seit Beginn der Reihe dabei sind, sind das "Extended", Hayley und auch Aaron bereits bekannt und dass es zwischen den Beiden funkt, hat man auch da schon erahnen können. Da ich Hayley von Anfang an interessant, sympathisch und etwas speziell fand, habe ich mich auf ihre Geschichte mit Aaron sehr gefreut.

So würde ich auch nicht sagen, dass ich enttäuscht bin, aber zwei Dinge haben mein persönliches Lesevergnügen ein wenig geschmälert: Zum einen ist Aaron total nett und sympathisch, selbstverständlich gut aussehend und beruflich erfolgreich, also ein nicht ganz ungewöhnlicher Charakter für einen männlichen Protagonisten in einer Liebesgeschichte, aber das stört mich überhaupt nicht. Allerdings gibt es an ihm so gar nichts, was ihn ein wenig menschlich macht - er ist nett, zuvorkommend, intelligent, sehr einfühlsam und zeigt deutlich mehr Verständnis und Geduld mit Hayley, als es viele andere würden...kurzum: er ist eigentlich perfekt und Perfektion ist dann auch schon wieder ein wenig langweilig. Ein wenig mehr Ecken und Kanten hätte ich mir bei Aaron durchaus gewünscht.
Die zweite Sache ist Hayley selbst: Ich hätte gern gehabt, dass auch in der für sie unsicheren und beängstigenden Situation ihrer eigenen Gefühle ein ganz klein wenig der Hayley aus dem ersten Band durchschimmern würde; die Hayley, die mich sofort für sich eingenommen hat. Stattdessen mutiert sie zu einem komplett verängstigten Reh im Scheinwerferlicht, was ich durchaus schade fand. Keine Frage, ihre Reaktion war aufgrund ihrer Vorgeschichte erklär- und nachvollziehbar, aber in diesem Extrem fand ich sie dann doch sehr anstrengend.

Nichts desto trotz ist der Lesefluss wirklich gut und Sarah Saxx nimmt uns von Anfang an direkt wieder mit ins "Extended" und ins Geschehen. Mit Hayleys Mutter haben wir hier noch einen zusätzlichen sehr speziellen Charakter, der - wenn auch im Negativen - Schwung ins Geschehen bringt. Ich habe den Weg von Hayley und Aaron sehr emotional mitverfolgt und freue mich auch jetzt bereits darauf, in die Welt des "Extended" bald zurückkehren zu dürfen und bin gespannt, was Ella und Jared in "Extended love" erwartet.

Sarah Saxx
Extended hope - Hayley und Aaron

Samstag, 14. September 2019

[Rezension] Leo Born - Brennende Narben

Kurzbeschreibung:
"Die Vergangenheit lässt der eigenwilligen Frankfurter Kommissarin Mara Billinsky keine Ruhe. Der Mörder ihrer Mutter wurde nie gefunden. Zudem halten der Mord an einer Edel-Prostituierten und ein Bombenanschlag auf der Autobahn das gesamte Kripo-Team in Atem. Eines Tages erhält Mara eine anonyme Warnung: Der "Wolf" sei in der Stadt und im Visier habe er: sie! Als Mara endlich erkennt, dass sie und ihre Kollegen nur Spielfiguren in einem kaltblütigen Krieg sind, ist es fast zu spät..."

Fazit:
"Brennende Narben" ist der dritte Teil von Leo Borns Reihe um "die Krähe", die Kommissarin Mara Billinsky.
Wie auch die anderen beiden Teile lässt sich "Brennende Narben" ohne Kenntnis der Vorgeschichte lesen, aber die Entwicklung der Figuren und Hintergründe geben natürlich ein deutlich besseres Bild ab. Zumal dieser dritte Teil einen Meilenstein darstellt, da hier vieles zum Abschluß gebracht wird.

Auch möchte ich dem Titel meinen Respekt zollen. Als Blogger kritisiere ich öfter Titel oder Genrebezeichnungen, die meiner Meinung nach nicht passen, so möchte ich auch einmal einen gelungenen Titel hervorheben: Denn nicht nur passt der Titel hervorragend zu Handlung, sondern er tut dies gleich in doppelter Hinsicht, einmal in psychischer und in Bezug auf einen anderen Protagonisten in physischer Hinsicht - sehr gelungen!

Mara ist Mara und das darf sie auch im dritten Teil bleiben: eigenwillig, dickköpfig, einzelgängerisch...dennoch sieht man wieder an Kleinigkeiten, dass sie eben nicht so tough ist, wie sie nach außen immer scheinen möchte.

In den bisherigen Bänden ist mir auch Jan Rosen, Maras Kollege sehr ans Herz gewachsen und so habe ich mich wirklich gefreut, dass er in "Brennende Narben" die Möglichkeit bekommen hat sich freizuschwimmen und diese auch genutzt hat! Ich wusste die ganze Zeit, dass mehr in ihm steckt als er sich selbst zutraut! Ich hoffe, er kann seinen neu entdeckten Selbstwert auch in die Zukunft retten.

Ebenfalls gut gefällt mir, dass der Leser auch die Hintergründe der "Bösen" kennenlernt. Gut, das hat mitunter zur Folge, dass einem auch einer von denen ans Herz wächst, aber das lässt sich nicht vermeiden.

Neben all diesen wunderbaren Charakterisierungen und ausgeformten Protagonisten ist aber natürlich die eigentlich Handlung nicht ganz unwichtig: hier gibt es einmal den eigentlichen Kriminalfall, bei dem es um das organisierte Verbrechen und Zwangsprostitution geht und zum anderen Maras Fall, denn diese ist nach wie vor nicht gewillt, den Mord an ihrer Mutter unaufgeklärt zu lassen, was ihr von mehr als einer Seite Gegenwind einbringt.

Der Lesefluss ist hervorragend und wie gewohnt hält Leo Born Spannung und Neugier wach - man mag beim Lesen gar nicht pausieren und wartet ungeduldig auf die weiteren Entwicklungen. So kann man insgesamt nur sagen: alles richtig gemacht Leo Born!

Leo Born
"Brennende Narben"
erschienen in der Bastei Lübbe

[Rezension] Arno Strobel - Magus - Die Bruderschaft

Kurzbeschreibung:
"Als der neu gewählte Papst die Loggia über dem Petersplatz betritt, fällt ein Schuss - er ist tödlich! Schnell wird der Attentäter gefasst, der jedoch jegliche Aussage verweigert. Stattdessen spielt er Bischof Corsetti eine mysteriöse Kiste zu. Die Kiste ist schwer und randvoll mit Tagebüchern, die ein noch schwerer wiegendes Geheimnis bergen: Sie führen Corsetti auf die Spur einer Bruderschaft, die ein Komplott gegen die katholische Kirche schmiedet. Der größenwahnsinnige Führer der Bruderschaft, der "Magus", schreckt dabei auch vor brutaler Gewalt nicht zurück."

Fazit:
Arno Strobel ist Thrillerautor. So ist es wenig überraschend, dass auch auf dem Cover von "Magus - Die Bruderschaft" groß "Thriller" zu lesen ist.

Das finde ich bedauerlich, denn würde ich als reiner Thriller-Leser an "Magus - Die Bruderschaft" geraten, wäre ich enttäuscht.

Das Buch ist weder langweilig noch uninteressant - wirklich nicht, aber das Spannungslevel finde ich für einen Thriller deutlich zu gering.

Der Lesefluss ist wirklich gut, was sowohl dem intelligenten Plot, als auch den teilweise sehr charismatischen Personen zu verdanken ist.
Die Vision des Autors hat er sehr gut transportiert und das Lesen von "Magus - Die Bruderschaft" ist wirklich ein Vergnügen. Ein Roman, der mich tatsächlich mitgenommen hat. Bedauerlich allein die Schublade, in die das Buch gesteckt wurde.

Arno Strobel
"Magus - Die Bruderschaft"
erschienen bei dtv

[Rezension] Julia Corbin - Nadelherz

Kurzbeschreibung:
"Bei einer Wanderung verschwinden zwei junge Frauen spurlos. Erst ein Jahr später wird Tessa aus den Fängen ihres Entführers befreit, der bei der Rettungsaktion stirbt. Für die Freundin kommt jede Hilfe zu spät. Als Tessa ein mit Nadeln gespicktes menschliches Herz per Post erhält, ahnt sie, dass der Albtraum noch nicht vorbei ist.
Hat ihr Peiniger einen Nachfolger bestimmt? Doch sie will kein Opfer mehr sein und bringt sich damit erneut in höchste Gefahr."

Fazit:
"Nadelherz" ist der dritte Fall für Hall und Hellstern. Wie üblich rate ich bei Reihen immer dazu, beim ersten Teil zu starten, aber "Nadelherz" lässt sich auch ohne Kenntnis der ersten beiden Bände lesen.

Im Gegensatz zu den ersten beiden Teilen gibt es in "Nadelherz" keine direkte Involvierung des Privatlebens einer der Hauptpersonen in die Handlung und ich bin im Nachhinein der Überzeugung, dass das dem Plot wohl gut getan hat - denn "Nadelherz" ist, obwohl mir bisher alle Bände gut gefallen haben, mit Abstand der beste der "Hall & Hellstern" - Reihe.

Eingestreut in die aktuelle Handlung und der Jagd der Ermittler nach dem Mörder, der seine weiblichen Opfer auf ganz perfide Weise tötet, sind Rückblicke auf Tessas Zeit der Gefangenschaft. Dadurch bekommt der Leser Einblicke, die den Ermittlern zu diesem Zeitpunkt noch fehlen, aber gleichzeitig auch viel Material für Spekulationen - und wird dennoch von den Entwicklungen und Wendungen überrascht. Ich zumindest war auf einer ganz anderen Spur.

Der Lesefluss ist sehr gut, die Spannung durchweg auf einem hohen Niveau und Julia Corbin hat es tatsächlich geschafft, die kriminalbiologischen Ausführungen auf ein absolutes Minimum zu reduzieren - ein wirklich spannender Thriller mit einem intelligenten Plot und unerwarteten Wendungen.

Julia Corbin
"Nadelherz"
erschienen im Diana - Verlag

Freitag, 13. September 2019

[Rezension] Chris Carter - Jagd auf die Bestie

Kurzbeschreibung:
"Lebenslang in Sicherheitsverwahrung.
Doch er ist entkommen.
Sein Name: Lucien Folter.
Robert Hunter wird nicht ruhen, bis er ihn wieder gefasst hat.

Robert Hunter weiß, wie Mörder denken. Der Profiler des LAPD jagt die grausamsten Killer. Der schlimmste von allen war Lucien Folter - hochintelligent und gewaltverliebt. Als Lucien aus der Sicherheitsverwahrung ausbricht, folgt Hunter seiner blutigen Spur. Und der Killer lockt den Widersacher mit einem perfiden Spiel in seine Nähe: Wer ist der Klügere? Wer wird gewinnen?"

Fazit:
"Jagd auf die Bestie" ist bereits der 10. Fall für Hunter und Garcia. Natürlich ist es immer besser, beim ersten Band anzufangen, da die Fälle in der Regel aber abgeschlossen sind, lässt sich die Reihe eigentlich auch ohne Vorkenntnis lesen. Um die Hintergründe, die Lucien Folter und Robert Hunter verbinden, besser nachvollziehen zu können, sollte man in diesem Fall allerdings zumindest "Die stille Bestie" gelesen haben, den für mich besten Teil der Reihe.

Natürlich habe ich mich darauf gefreut, Lucien Folter wieder zu erleben, ist doch "Die stille Bestie" für mich mit Abstand der beste Teil einer generell hervorragenden Reihe. Möglicherweise lag es deshalb an meiner Erwartungshaltung, dass "Jagd auf die Bestie" für mich zwar ein guter Thriller, aber weit entfernt von "Die stille Bestie" ist.

Die Handlung beginnt spannend und wir erleben Lucien wie wir ihn kennen - so fällt der Einstieg ins Buch nicht schwer. Auch Luciens erste Taten reißen den Leser mit und man ist gespannt, was passiert, wenn Lucien und Robert aufeinandertreffen.
Dann allerdings zog sich die Handlung - ja, Lucien spielt sein Spiel mit Robert, dieser versucht, ihm zuvorzukommen, aber die Spannung war bei mir irgendwann weg. Man wartete eher darauf, dass es wieder packend wird.
Dann das große Finale: Lucien und Robert - allein - wer wird gewinnen? Das hätte wirklich, wirklich gut werden können, aber das Hin und Her, dessen sich der Autor bedient, ging mir irgendwann auf die Nerven: erst so, dann doch anders, ach nein, das war es auch nicht - ein klarer Vorgang wäre mir sehr viel lieber gewesen.

Keine Frage, "Jagd auf die Bestie" ist ein guter Thriller, aber die Reihe bietet einige bessere Teile und an "Die stille Bestie" reicht das Buch leider nicht heran.

Chris Carter
"Jagd auf die Bestie"
erschienen bei Ullstein

Mittwoch, 14. August 2019

[Rezension] Lisa Jackson - Greed - Tödliche Gier

Kurzbeschreibung:
"Vor zwanzig Jahren vernichtete ein Feuer das Anwesen der Dillinger-Familie, kostete Judd Dillinger das Leben und ließ seine Freundin verkrüppelt zurück. Man beschuldigte einen Serien-Brandstifter, der zu jener Zeit sein Unwesen trieb. Doch heute geschehen erneut verdächtige Dinge in Prairie Creek...

Ira Dillinger, Patriarch der Familie, hat seine Kinder zu seiner bevorstehenden Hochzeit nach Hause beordert. Die meisten Familienmitglieder sind keine großen Fans der Braut, die es in ihren Augen nur auf das Familienvermögen abgesehen hat. Doch sie scheinen nicht die Einzigen zu sein, denen diese Ehe ein Dorn im Auge ist. Erst wird die rituell gehäutete Leiche eines Kojoten auf der Dillinger-Ranch gefunden, dann brennt die Kirche ab, in der die Hochzeit stattfinden soll. Aus der Asche geborgen wird ein bizarr entstellter Leichnam..."

Fazit:
Eigentlich ist meine Überschrift so nicht korrekt. Denn Lisa Jackson ist zwar federführend, aber nur eine der drei Autorinnen, die dieses Werk verfasst haben. "Greed - Tödliche Gier" wurde von Lisa Jackson, ihrer Schwester Nancy Bush und Rosalind Noonan geschrieben.

Nun ist es nicht ungewöhnlich, dass zwei oder drei Autoren gemeinsam ein Buch schreiben, was mir bisher so aber nicht untergekommen ist, ist, dass jede der Autorinnen ihren eigenen Teil des Buches hat - das erste Drittel stammt von Lisa Jackson, der Mittelteil von Rosalind Noonan und den Abschluß hat Nancy Bush verfasst - dennoch ist alles wunderbar stimmig und greift auch vom Schreibstil her ineinander. Wahrscheinlich wäre ohne Kennzeichnung niemandem aufgefallen, dass da plötzlich jemand anderes schreibt. Einzige Auffälligkeit ist, dass der Mittelteil mehr auf Zwischenmenschliches ausgelegt ist, was aber auch der Handlung an sich geschuldet sein kann. Im ersten und letzten Drittel hingegen kommt deutlich mehr Spannung auf.

Große Familien bieten per se ja schon eine Menge Stoff für Spannungen und böses Blut - das ist bei den Dillingers nicht anders. Gerade mit einem sturköpfigen Patriarchen wie Ira, der sich überhaupt nicht darum schert, wie seine Entscheidungen von anderen aufgenommen werden, ist dies vorprogrammiert.
Aber es gibt auch viele sympathische Charaktere, von denen wir einige auch im zwischenmenschlichen Bereich näher kennenlernen.
Hört sich dies bisher wie ein Familienroman an, darf man den Psychopathen im Hintergrund nicht vernachlässigen, denn dieser kennt kein Pardon, um auf sich aufmerksam zu machen und mit dem Rätseln bezüglich der Identität ist der Leser vollauf beschäftigt.

"Greed - Tödliche Gier" hat mich sehr gut unterhalten und jedem, der einen Thriller in Kombination mit Liebesgeschichten mag, kann ich es nur ans Herz legen. Ich erwarte gespannt das Erscheinen des zweiten Teils der Wyoming-Reihe am Ende des Jahres und habe festgestellt, dass ich wohl dringend einmal ein Buch von Nancy Bush lesen muss.

Lisa Jackson, Rosalind Noonan, Nancy Bush
"Greed - Tödliche Gier"
erschienen bei Droemer Knaur

Dienstag, 13. August 2019

[Rezension] Heidi Rehn - Das Lichtspielhaus - Zeit der Entscheidung

Kurzbeschreibung:
"München, 1926. Die Goldenen Zwanziger funkeln mit verführerischem Glanz. München ist nach Berlin DIE Metropole des deutschen Films und Kinos. Die Donaubauers sind eine der großen Kinobetreiberfamilien an der Isar. Mit ihrem mondänen Lichtspielpalast sorgen die heiß umschwärmte ehemalige Theaterschauspielerin Elsa und ihr charmanter Ehemann Karl landesweit für Furore. Dann aber brennt Karl mit einer Revuetänzerin durch, und statt als Star auf der Leinwand muss Elsa sich von einem auf den anderen Tag als Kinobesitzerin im realen Leben behaupten.
Als durch Hitlers Machtergreifung Film und Kino zum begehrten Propagandainstrument werden, droht Elsa ihre Lizenz zu verlieren - und noch viel mehr..."

Fazit:
Auch diesmal musste ich den Klappentext nach dem Lesen des Buches noch einmal nachlesen. Suggeriert er doch, dass Elsa praktisch aufgrund von Karls Verschwinden ihre Schauspielkarriere aufgeben und sich in der Kinowelt behaupt muss. Tatsächlich hat sie ihre Karriere schon Jahre vorher bei der Eheschließung an den Nagel gehängt und bereits in der Zwischenzeit viel in den Kinos mitgearbeitet. Ja, sie übernimmt auf Dauer mehr Verantwortung, die sonst wohl bei Karl gelegen hätte, aber dennoch...

Aber weg vom Klappentext, hin zum Buch: Ich glaube tatsächlich, dass dies mein erstes Buch von Heidi Rehn war, von daher kann ich nicht sagen, ob der Schreibstil stellvertretend für all ihre Bücher ist. Ich bin auch im Nachhinein noch immer zwiegespalten:

Die Autorin kann ganz wunderbar bildhafte, für ihre Zeit stellvertretende Charaktere erschaffen. Durch verschiedene Personen bringt sie dem Leser viele unterschiedliche Aspekte des Lebens, der Gesellschaft und der Politik der Zeit nahe. Das hat mir ganz hervorragend gefallen.
Auch den Einfluss, den das Regime im Laufe der Zeit auf die Kinobetreiber genommen hat, fand ich sehr gelungen dargestellt.

Allerdings wurde meine Lesefluss regelmäßig erschwert durch ausufernde Beschreibungen einzelner Filme samt deren Schauspieler und deren Hintergründe. Natürlich waren das Filme der Zeit und wer kennt nicht Filmgrößen wie Heinz Rühmann und Alfred Hitchcock. Aber an diesen Stellen wird so ausschweifend auf die Filme Bezug genommen, dass es mich regelmäßig aus der eigentlichen Handlung herausriss und mir ein Gefühl von Anstrengung vermittelte. Das hat mein Lesevergnügen durchaus getrübt.
Nichts desto trotz sind mir die Schicksale der Charaktere sehr nahe- und unter die Haut gegangen und man nimmt viel Anteil am Geschehen.

Insgesamt haben mir Charaktere und Handlung sehr gut gefallen, die Informationen bezüglicher einzelner Filme, etc. hätte meines Erachtens nach aber gern deutlich kürzer ausfallen dürfen.

Heide Rehn
"Das Lichtspielhaus - Zeit der Entscheidung"
erschienen bei Droemer Knaur

Sonntag, 16. Juni 2019

[Rezension] Nora Elias - Königsberg - Glänzende Zeiten

Kurzbeschreibung:
"Ostpreußen Ende des 19. Jahrhunderts: Die hübsche Kaufmannstochter Adela liebt den reichen Gutsbesitzererben Carl von Reichenbach. Doch dann wird sie von ihrem Vater in eine Ehe mit dem Adligen Leonhard von Schletter genötigt. Die Verbindung steht unter keinem guten Stern. Zwar versucht sich Adela mit der neuen Situation zu arrangieren, doch die einstmals enge Freundschaft zwischen Carl und Leonhard zerbricht, und Carl sinnt auf Vergeltung. Schließlich werden auch Leonhards Schwestern von Carl in den Zwist hineingezogen. Zwischen den Familien herrscht bald eine offene Feindschaft, die ihren Schatten auch auf die nächste Generation werfen wird..."

Fazit:
"Königsberg - Glänzende Jahre" ist der Auftakt zur "Königsberg"-Saga von Nora Elias.

Ich habe mich anfangs schwer getan, einen Einstieg in das Buch zu finden, obwohl ich nicht so recht den Finger darauflegen kann, woran es lag.
Ob es der Schreibstil war oder die Charaktere oder eine Mischung aus beidem? Auf jeden Fall kam mir das ganze Geschehen anfangs etwas seelenlos vor, sodass ich schon mit mir gerungen habe, ob es sich lohnt, weiterzulesen.

Im Laufe des Buches änderte sich dies aber und die unterschiedlichen Personen wuchsen mir alle auf ihre eigene Art ans Herz. Als ich diesen Punkt einmal erreicht hatte, las sich das restliche Buch auch wie von selbst, sodass ich am Ende wehmütig Abschied nahm und seither auf die Fortsetzung warte.

Sehr gut transportiert fand ich das Zeitgeschehen. Auf der einen Seite die konservativen Monarchieanhänger, die den Wandel ablehen oder zu ignorieren versuchen und auf der anderen Seite die Befürworter der Republik, die Sozialisten, die neue Zeiten anbrechen lassen wollen.
Auch die ungerechte Behandlung von Mann und Frau, gerade in Ausnahmesituationen wie ungewollter Schwangerschaft spielt durchaus eine Rolle.
Wie viele Autoren historischer Romane setzt Nora Elias auf starke Frauencharaktere, was ich durchaus gern mag.

Für alle Liebhaber des damaligen Zeitgeschehens, die anfangs ein wenig Geduld aufbringen können.

Nora Elias
"Königsberg - Glänzende Zeiten"
erschiene im Goldmann Verlag

[Rezension] Benedikt Gollhardt - Westwall

Kurzbeschreibung:
"Scheinbar zufällig lernt Polizeischülerin Julia den attraktiven Nick kennen. Doch nach der ersten gemeinsamen Nacht entdeckt sie, dass er ihr einen falschen Namen genannt hat und ein riesiges Hakenkreuz-Tattoo auf dem Rücken trägt. Julia ist geschockt - warum hat Nick sie angelogen? Mit einem Mal gerät ihr Leben in einen alptraumhaften Strudel, der droht, ihr alles zu nehmen, was ihr lieb ist. Die Suche nach der Wahrheit führt Julia in die menschenleeren Wälder der Eifel bis hin zum Westwall, einem alten Verteidigungssystem aus dem Zweiten Weltkrieg. Und damit zurück in ihre eigene Vergangenheit..."

Fazit:
Die Handlung von "Westwall" ist vielschichtig, sodass es gar nicht leicht ist, zu wissen, wo man bei einer Rezension am besten ansetzt.

Vielleicht bei Julia: Aufgewachsen in einer alternativen Wohnkolonie ist sie bemerkenswert wenig weltfremd und nimmt ihre Ausbildung zur Polizistin ernst. Im sozialen Bereich hat sie so ihre Probleme, dennoch ist sie eine sympathische Protagonistin, wenn auch ein wenig hölzern.

Neben Nick und Julia gibt es viele weitere Charaktere in "Westwall", die auch alle eine Rolle zu erfüllen haben, um das große Ganze vor dem inneren Auge des Lesers entstehen zu lassen. Möglicherweise ein wenig zu viele Charaktere, denn in seinem Bestreben, allen gerecht zu werden, verzettelt sich Benedikt Gollhardt mitunter, wodurch es im Haupthandlungsstrang nicht recht vorwärts geht, was bei mir zu einem Gefühl der Langatmigkeit fühlte - nicht durchgehend, aber immer mal wieder. Eine generelle Straffung der Handlung wäre dem Lesefluss förderlich gewesen.

Dennoch gibt es auch einiges, mit dem der Autor punkten kann: Neben Köln ist der Westwall ein wichtiger Handlungsort des Geschehens. Bei den meisten ist dieses Relikt des Zweiten Weltkriegs sicher in Vergessenheit geraten bzw. sie haben noch nie davon gehört. Diesbezüglich erfährt man im Buch viel Interessantes. Auch die Verstrickung von Bundesbehörden, Szene, V-Männern, etc. miteinander ist gut gelungen und bringt dem Leser einiges an Information, Unterhaltung, Spannung und Stoff zum Nachdenken.

Insgesamt gesehen hat mir "Westwall" durchaus gut gefallen, wobei ich davon ausgehe, dass mehr Spannung aufgekommen wäre, wenn die Handlung etwas gestrafft bzw. ein paar Charaktere weniger bedient worden wären.

Benedikt Gollhardt
"Westwall"
erschienen im Penguin Verlag

Samstag, 15. Juni 2019

[Rezension] Ben Aaronovitch - Die Glocke von Whitechapel

Kurzbeschreibung:
"Der gesichtslose Magier, verantwortlich für grauenvolle übernatürliche Verbrechen, ist endlich enttarnt. Leider aber auch entwischt. Und er arbeitet weiter zielstrebig daran, die letzte Stufe seines perfiden Plans in die Tat umzusetzen. Das bedeutet: Ganz London ist in Gefahr. Peter Grant, Zauberlehrling und Detective Constable, muss zu extremen Mitteln greifen..."

Fazit:
"Die Glocke von Whitechapel" ist der siebte Band der Reihe um Peter Grant und - ich kann es nie genug betonen - Thomas Nightingale, seines Zeichens der letzte echte Zauberer Großbritanniens.

Bei dieser Reihe sollte man definitiv beim ersten Band "Die Flüsse von London" beginnen, da man sonst überhaupt nicht versteht, warum wer wie agiert und auch nicht wirklich in den Fall hineinfindet, da sich gerade die Jagd nach dem gesichtslosen Magier bereits über mehrere Bände erstreckt.

Ansonsten gehe ich davon aus, dass es nur diejenigen Leser bis zum siebten Band schaffen, die - so wie ich - der Reihe rettungslos verfallen sind. All jene, die mit Aaronovitchs einzigartigem Schreibstil nichts anzufangen wissen, werden deutlich früher das Handtuch geworfen haben.

Entsprechend braucht man gar nicht mehr viel zu sagen, außer: Jawohl!! Wieder einmal hat Ben Aaronovitch es geschafft, ein weiteres Buch zu kreieren, das man vom ersten Satz an nicht mehr aus der Hand legen kann. Es geht sehr dynamisch zu in "Die Glocke von Whitechapel", sodass man kaum Zeit hat, Atem zu holen, geschweige denn, Langeweile zu empfinden. Alle mehr oder weniger liebegewonnenen Menschen, Fae und anderweitige Kreaturen geben sich wieder ein Stelldichein, der Fall hat es sowieso schon in sich und Nightingale ist wieder deutlich mehr involviert als in den vorhergehenden Bänden, was ich persönlich sehr begrüße, bin ich doch definitiv "Team Nightingale"!

Also: Ja! Die Glocke von Whitechapel lohnt sich definitiv und lässt den Leser gewohnt ungeduldig auf den nächsten Band zurück! Uneingeschränkte Leseempfehlung.

Ben Aaronovitch
"Die Glocke von Whitechapel"
erschienen im dtv Verlag

Mittwoch, 22. Mai 2019

[Rezension] Katharina Fuchs - Zwei Handvoll Leben

Kurzbeschreibung:
"Deutschland 1914: charlotte wächst auf dem archaischen Landgut ihres mächtigen Vaters in Sachsen auf. Die Welt scheint ihr zu Füßen zu liegen, als sie von ihrer Tante und deren jüdischem Ehemann in die Leipziger Ballsaison eingeführt werden soll. Sie begegnet ihrer ersten Liebe. Doch der Beginn des Ersten Weltkriegs zerstört ihre Pläne. Und ihr Leben verändert sich für immer.
Zwischen den Wasserstraßen des Spreewalds, wo Verzicht und harte Arbeit erfinderisch machen, gelingt es Anna, dem Schicksal immer wieder ein Schnippchen zu schlagen. Doch sie verkennt die tiefe Liebe ihres besten Freundes, bevor er an die Westfront zieht. An einem eiskalten Tag im Februar 1919 steigt die neunzehnjährige Schneiderin allein in den Zug. In den engen Hinterhöfen des Wedding prallen Hunger und Armut auf den ungezügelten Lebensdurst der beginnenden Zwanzigerjahre. Und im Konsumtempel KaDeWe sucht man Verkäuferinnen..."

Fazit:
In "Zwei Handvoll Leben" erzählt Katharina Fuchs auf sehr einnehmende Art und Weise die Lebensgeschichten ihrer Großmütter.

Dadurch, dass beide Frauen in sehr unterschiedlichen Verhältnissen aufwuchsen und sich ihr Lebensweg, bis zur Hochzeit ihrer Kinder gegen Ende des Buches, auch sehr unterschiedlich entwickelt, bekommt der Leser im Verlauf der Handlung nicht nur das Leben von Anna und Charlotte erzählt, sondern viele Leben vieler unterschiedlicher Menschen. Und das ist es auch, was dieses Buch so wunderbar macht: die unterschiedlichen Charaktere und Lebensweisen der Menschen.

"Zwei Handvoll Leben" ist aufgeteilt in zwei Teile: der eine startet 1913 und erzählt abwechselnd die Kindheit und Jugend von Anna und Charlotte und endet mit den Geburten der ältesten Kinder der beiden. Dann gibt es einen Zeitsprung und Teil zwei setzt zehn Jahre später an, wo gerade die Nazis an Einfluss gewinnen.

Ein Buch, das soviel Geschichte erzählt, einfach dadurch, dass die Handlung zu diesen Zeiten spielt, benötigt starke Charaktere, damit diese vor einem solchen Hintergrund nicht untergehen. Gerade mit Anna haben wir definitiv solch eine Protagonistin. Dass Charlotte dagegen immer eher etwas im Hintergrund anmutet, liegt schlicht daran, dass Annas Leben in Berlin deutlich abwechslungsreicher ist, was nicht unbedingt positiv sein muss.

Der Lesefluss ist sehr gut, wenn auch meines Erachtens nach der erste Teil ein wenig gerafft hätte werden können. Langweilig wird es dennoch nie, was an der Fülle von Schauplätzen, Charaktere und Ereignissen liegt. Die Protagonistinnen wachsen dem Leser, jede auf ihre eigene Art und Weise, immer mehr ans Herz und so lebt man ihr Leben an ihrer Seite.

Katharina Fuchs versteht es sehr gut, am Beispiel von Anna und Charlotte das Leben einer ganzen Generation unterschiedlichster Herkunft und Lebensart im Deutschland der damaligen Zeit zu vermitteln.

Katharina Fuchs
"Zwei Handvoll Leben"
erschienen bei Droemer Knaur

Dienstag, 21. Mai 2019

[Rezension] Charlotte Roth - Wir sehen uns unter den Linden

Kurzbeschreibung:
"Ost-Berlin nach dem 2. Weltkrieg. Von ihrem geliebten Vater, einem überzeugten Sozialisten und Lehrer, hat Susanne gelernt, an eine bessere Welt zu glauben. Ohne je das Vertrauen in die Menschheit zu verlieren, hat er gegen das Naziregime gekämpft - und wurde vor den Augen seiner sechzehnjährigen Tochter kurz vor Kriegsende erschossen.
Um sein Vermächtnis zu erfüllen, widmet sich Susanne von ganzem Herzen dem Aufbau eines neuen Deutschland. Erst als sie den lebenslustigen Koch Kelmi kennen- und lieben lernt, beginnt sie allmählich zu begreifen, was um sie herum passiert. Zu tief jedoch ist der Glaube an den Sozialismus in ihr verwurzelt, zu stark das Band, das sie mit dem toten Vater verbindet.
Dann kommt der 13. August, und plötzlich verstellt die Mauer Susanne jegliche Möglichkeit einer Alternative..."

Fazit:
Eines der Themen, auf die ich immer wieder zu sprechen komme, sind Klappentexte. Selbstverständlich kann ein Klappentext nur einen Auszug darstellen, eine Ahnung von dem, was zwischen den Buchdeckeln verborgen sein mag. Und ein Buch wie "Wir sehen uns unter den Linden" verbirgt nicht nur die Geschichte eines Lebens, sondern ebenso die einer Nation und zweier Staaten - natürlich lässt sich dies nicht auf ein paar Sätze reduzieren. Allerdings gibt soviel Handlung auch die Möglichkeit, das, was der Klappentext verheißen soll, bestmöglich wiederzugeben. Warum es dann beim Lesen des Textes so scheint, als beginne die Handlung praktisch mit dem Mauerbau, wo sie doch mit ihr endet, will sich mir nicht erschließen...

Abgesehen vom Klappentext, ist es vor allem ein Adjektiv, das sich mir aufdrängt, wenn ich an "Wir sehen uns unter den Linden" denke: eindrücklich. Denn genau das ist dieser Roman. Ich habe schon viele Bücher gelesen, die vor, um, während und nach dem Zweiten Weltkrieg spielen. Susannes Sicht der Dinge ist mir in dieser Art aber noch nicht begegnet: Sie hat eine schöne Kindheit, trotz der Unruhen vor dem Krieg. Ihre Eltern lieben und beschützen sie, lieben einander und das vermitteln sie Susanne auch. Mit dem Tod des Vaters, der von der Gestapo erschossen wird, endet aber scheinbar alles Positive in ihrem Leben. Die Mutter wird depressiv, die Tante versucht, die Familie durch die schweren Zeiten zu bringen und Susanne hat sich dem Aufbau einer besseren Welt verschrieben. Dennoch ist sie ständig unsicher und vermutet grundsätzlich Negatives, kann auch nicht hinnehmen, dass schwarz/weiß meist nicht real ist und es viele Grautöne gibt - der Kapitalismus ist die Wurzel allen Übels, der Westen der böse Verführer...

Man kommt beim Lesen an einen Punkt, an dem man das Gefühl hat, viel mehr von Susannes negativer Aura nicht ertragen zu können und das ist genau der Moment (von der Autorin hervorragend gewählt) in dem Kelmi die Bühne betritt: Kelmi ist grundpositiv, manchmal naiv, aber nicht dumm. Er ist weich, wo sie hart ist, ist Melodie, wo sie Vernunft ist - ein wunderbarer Kontrapunkt und man kann gar nicht anders, als Kelmi in sein Herz zu schließen.

Susanne und ihr Leben vor, mit und zwischen Kelmi sind natürlich Hauptpunkt der Handlung, aber es gibt noch soviel mehr: zwischen den Episoden wird die Geschichte von Susannes Eltern erzählt, die Zeit bis zu jenem verhängnisvollen Tag, als die Gestapo vor der Tür stand, aber auch die Zeit danach aus Sicht von Tante Hille und mitunter Eugen - erst alles zusammen genommen ergibt ein Ganzes und zeigt nicht nur, wie unterschiedlich Menschen zu der Zeit lebten, sondern auch die Gesellschaft als Ganzes, der Wandel der Staaten - ist Lebensgeschichte so vieler und Zeitzeugnis aller.

Mit "Wir sehen uns unter den Linden" hat Charlotte Roth einen absolut authentischen Roman geschaffen, der viele unterschiedliche Perspektiven aufzeigt in einer Zeit des Wandels - eine definitive Leseempfehlung von meiner Seite!

Charlotte Roth
"Wir sehen uns unter den Linden"
erschienen bei Droemer Knaur

Sonntag, 19. Mai 2019

[Rezension] J L Butler - Mein

Kurzbeschreibung:
"Mit diesem Fall wird sie endlich Karriere machen, da ist sich die Londoner Scheidungsanwältin Francine Day sicher. Martin Joy will sich von seiner Frau Donna scheiden lassen. Der Unternehmer ist millionenschwer - und wahnsinnig attraktiv. Wider besseres Wissen beginnt Fran eine verbotene Affäre mit ihrem Mandanten, dem sie mehr und mehr verfällt. Als seine Frau kurz darauf spurlos verschwindet, gerät Martin ins Visier der Ermittlungen. Doch auch Fran hat ein Geheimnis. Sie ist nicht nur Anwältin und Geliebte des Hauptverdächtigen - sie ist die letzte Person, die Donna Joy lebend gesehen hat..."

Fazit:
Wenn ich zuerst darauf verweise, dass ich die Aufteilung des Anwaltberufs im britischen Recht in Rechtsanwälte und Prozessanwälte sehr interessant fand, könnte das missverstanden werden.

Denn das war ja nicht das einzig interessante, aber für mich persönlich etwas, was ich nicht wusste.

Back to topic: Francine Day ist mehr, als der Leser anfangs glaubt. Man sieht erst nur die strikt auf die Arbeit fokussierte, talentierte Anwältin, die es mal ganz nach oben schaffen wird. Von ihrem seelischen Ungleichgewicht, ihrer Unsicherheit und ihren Ängsten erfährt man erst später... So ist es einigermaßen überraschend, dass diese Karrieristin gerade beim charmanten Martin Joy zum hormongesteuerten Weibchen wird - aber sei's drum...

Denn ehrlich: Wie kann man Martin Joy nicht mögen? Ich mag ihn! Und bin natürlich direkt von seiner Unschuld ausgegangen, es wäre ja auch viel zu offensichtlich...aber dann kommen Hinweise und man muss seine Haltung überdenken..wieder und wieder...
Dieses "war er es oder nicht?" war sehr schön über den ganzen Plot gesteuert, das hat mir sehr gut gefallen. Das Ende hingegen fand ich ... bescheiden ... unbefriedigend...

Wäre dies das einzige gewesen, hätte ich sicher darüber hinweggesehen, was ist schon perfekt? Allerdings tauchen im ansonsten wirklich guten Lesefluss immer wieder Längen auf, die vor allem auf Francine zurückzuführen sind - endlose innere Monologe, die zur Handlung überhaupt nichts beitragen. Da wäre ein wenig Straffung sicher nicht verkehrt gewesen.

"Mein - Wie weit wirst du gehen, um ihn zu behalten?" von J L Butler hat gute Anlagen und auch einen guten Plot. Ich mag die Spannung, die immer wieder auftaucht, das subtile Anschleichen der Ahnungen - leider wurde dies nicht konsequent genug durchgezogen.
Insgesamt also ein Buch, das durchaus keinen negativen Eindruck bei mir hinterlässt, wo ich mir bei einem nächsten Buch von J L Butler aber mehr Fokussierung wünschen würde.

J L Butler
"Mein - Wie weit wirst du gehen, um ihn zu behalten?"
erschienen im Rowohlt Verlag

[Rezension] Gitta Edelmann - Canterbury Symphony

Kurzbeschreibung:
"Auf Bitten des Pubbesitzers Canny ist Ella Martin, Liebesromanautorin und Hobbydetektivin, nach Schottland gereist. Sie soll dort nach dem Rechten sehen, denn Cannys Tante Flora behauptet, in ihrem Altenheim bestohlen zu werden. Oder wird die alte Dame langsam dement, wie die Leiterin von Scorrybreac House es behauptet?

Ella nutzt die Reise in den Norden auch, um sich über ihre Gefühle für Detective Inspector Alex Drake klar zu werden. Sie träumt von einsamen Wanderungen und gemütlichen Schreibabenden mit einem Gläschen Whisky.

Doch bei ihrer Ankunft auf der Isle of Skye wirkt die alte Dame auf Ella kein bisschen verwirrt. Dafür scheinen einige Leute in Scorrybreac House Geheimnisse zu haben: der charmante Witwer ebenso wie die blauhaarige Krankengymnastin. Was bleibt Ella anderes übrig, als den Dingen auf den Grund zu gehen?"

Fazit:
Ich habe vor einigen Jahren "Canterbury Requiem", den ersten Teil der Reihe um die sympathische Liebesromanautorin Ella Martin gelesen und mich sehr gut unterhalten gefühlt. Ich bin ja etwas schwierig, wenn es um Cosy Krimis geht, aber Gitta Edelmann und Ella Martin haben mich absolut überzeugt. Deshalb war ich auch etwas entsetzt festzustellen, dass "Canterbury Symphony" bereits der fünfte Teil der Reihe ist und ich die dazwischen liegenden verpasst habe - zum Glück lässt sich so etwas ja nachholen.

Hatte ich mich ursprünglich auf Canterbury gefreut, ist die Isle of Skye doch ein mehr als würdiger Ersatz, zumal Gitta Edelmann es versteht, die Insel vor dem inneren Auge des Lesers entstehen zu lassen.
Der Lesefluss ist sehr gut. Dies ist vor allem den Charakteren zu verdanken, denn darunter befinden sich einige Original und zu verbergen scheint auch so mancher etwas zu haben. Gegen Ende wird es auch richtig spannend, denn Ella lebt gefährlich.

So ist auch "Canterbury Symphony", welches sich übrigens problemlos ohne Kenntnis der vorhergehenden Bände lesen lässt, ein wunderbarer Ausflug in Ellas Welt und eine unterhaltsame Schnitzeljagd auf der Suche nach der Wahrheit.

Gitta Edelmann
"Canterbury Symphony"
erschienen im Dryas Verlag


Donnerstag, 16. Mai 2019

[Rezension] Christi Daugherty - Echo Killer

Kurzbeschreibung:
"Eine Frau Mitte dreißig, nackt und erstochen auf dem Küchenboden - aufgefunden von ihrer 12-jährigen Tochter. Als Polizeireporterin Harper McClain den Tatort sieht, hat sie nur einen Gedanken: Das grausame Szenario ist identisch mit einem anderen Mord. Dem an ihrer Mutter. Seit fünfzehn Jahren quält sie der Gedanke, dass der Killer noch immer auf freiem Fuß ist. Nun scheint er wieder zugeschlagen zu haben. Es gibt keine Fingerabdrücke, keine DNA, keine Spuren. Harper ist entschlossen, die Wahrheit endlich ans Licht zu bringen. Doch die hat ihren Preis."

Fazit:
Christi Daugherty kennt man als Autorin der "Night School" - Reihe. Mit "Echo Killer" hat sie nun ihren ersten Thriller für Erwachsene veröffentlicht.

Raue Schale - weicher Kern, so könnte man Harper McClain beschreiben. Nur dass sie diesen Kern am liebsten vor der Welt versteckt. Auf Abstand bedacht, lässt sie kaum jemanden an sich heran. In ihrem Job hingegen ist sie tough und unerschrocken, was nicht von Nachteil ist, wenn man als Polizeireporterin einer Zeitung arbeitet.
Harper ist ganz klar ein Typ und das macht mit den Reiz des Buches aus. Aber auch einige andere Charaktere sind eigen und charismatisch, was mitunter für Zündstoff sorgt.

Der Lesefluss ist gut, auch wenn sich im Mittelteil einige Längen eingeschlichen haben, aber die Neugier des Lesers trägt ihn darüber hinweg. Denn der Plot macht definitiv neugierig! Das ganze Buch hindurch rätselt man mit, versucht mit Harper, die Fakten zu einem Bild zusammenzusetzen und doch will es nicht recht gelingen. Auch die Auflösung der Geschichte hat mir wirklich gut gefallen.

Erwartet hätte ich mehr Atmosphäre - ein Schauplatz wie Savannah ist ja eigentlich perfekt zur Vermittlung des Südstaatenflairs, aber außer der Hitze kommt davon nicht viel beim Leser an.

Insgesamt hat mich "Echo Killer" gut unterhalten, auch wenn noch Luft nach oben da ist.

Christi Daugherty
"Echo Killer"
erschienen bei Rowohlt

Dienstag, 14. Mai 2019

[Rezension] Anke Petersen - Hotel Inselblick - Wolken über dem Meer

Kurzbeschreibung:
"Hamburg 1892. Als der Kaufmann Wilhelm Stockmann beschließt, das Leben in der Stadt aufzugeben und mit seiner Familie auf die Nordseeinsel Amrum zu ziehen, um dort ein Hotel zu eröffnen, ahnt er nicht, auf welches Abenteuer er sich da einlässt. Besonders seine Tochter Rieke ist anfangs gar nicht für den Umzug zu begeistern, der ihr ganzes Leben aus den Angeln heben soll - ganz im Gegensatz zu ihrer Mutter Marta, die schon immer davon geträumt hat, ein eigenes Hotel zu führen. So stürzt sie sich denn mit Elan und aus vollem Herzen in die neue Aufgabe, und ganz allmählich lebt sich auch Rieke auf der Insel ein und knüpft erste zarte Bande.
Doch dann schlägt das Schicksal zu und macht alle Pläne zunichte..."

Fazit:
Von Natur aus ein Fan von Nordsee und Familiensagas, brauchte es nicht viel, mich für "Hotel Inselblick - Wolken über dem Meer" zu interessieren.

Was ich allerdings nicht erwartet hatte, war, dass die Autorin mich bereits nach wenigen Seiten vollkommen in ihren Bann gezogen hatte.

Der Autorin gelingt es bereits ganz am Anfang, dass der Leser sich mitten im Geschehen fühlt. Hamburg, Ende des 19. Jahrhunderts wird lebendig vor dem inneren Auge. Dazu kommt, dass Anke Petersen wahrlich über ein Händchen für Charaktere verfügt. Jeder einzelne ist so detailliert erdacht und so lebensecht - in dieser Gesellschaft fühlt man sich wohl und lernt so einige Originale kennen, ob Nele in Hamburg oder Kaline auf Amrum.
Je weiter die Handlung fortschreitet, desto größer wird der persönliche Drang, ebenfalls zur Nordseeinsel aufzubrechen...

Der Lesefluss ist sehr gut, Langeweile gibt es in "Hotel Inselblick" nicht. Man begleitet die Familie Stockmann von Hamburg nach Amrum und durch die Untiefen des Lebens - denn natürlich macht das Schicksal auch vor ihnen nicht halt. Gerade gegen Ende des Buches geht es so unter die Haut, dass die Augen feucht werden.

Ich habe jede einzelne Seite des Buches genossen und hätte wahnsinnig gern einfach direkt weitergelesen. Gut, dass der zweite Band "Hotel Inselblick - Wind der Gezeiten" bereits am 1. Juli erscheint.
Allen Freunden von Familiensagas und/oder Nordsee und solchen, die es werden wollen, kann ich das Buch nur wärmstens empfehlen.

Anke Petersen
"Hotel Inselblick - Wolken über dem Meer"
erschienen bei Droemer-Knaur