Bücher

Bücher lesen heißt, wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne.
-
Jean Paul

Sonntag, 29. März 2015

[Rezension] Stephen King - Revival

Kurzbeschreibung:
"Der kleine Jamie spielt vor dem Haus mit seinen Plastiksoldaten, da schiebt sich ein dunkler Schatten über ihn, ein Schatten, den er sein Leben lang nicht loswerden wird. Er blickt auf und sieht Charles Jacobs über sich, den jungen Methodistenprediger, der in der neuenglischen Gemeinde gerade sein Amt antritt. Im Nu gewinnt der charismatische Jacobs die Herzen der gottesfürchtigen Einwohner. Den Kindern haben es vor allem die elektrischen Spielereien angetan, mit denen er Bibelgeschichten veranschaulicht. Das alles endet, als ihn ein schrecklicher Unfall vom Glauben abfallen lässt und er eine letzte Predigt hält, die in einer rasenden Gottverfluchung gipfelt. Von der Gemeinde verstoßen, tingelt er fortan über die Jahrmärkte, wo er elektrische Experimente vorführt, die zunehmend spektakulärer werden. Und immer schrecklichere Folgen nach sich ziehen..."

Fazit:
Ein King ist ein King - darauf kann man sich als Leser eigentlich immer verlassen. Trotz dieser Unmenge an Büchern, die Stephen King produziert, gibt es nicht diesen oft zu beobachtenden qualitativen Niedergang, der bei vielen Autoren zum Tragen kommt, die eine solche Vielzahl an Büchern schreiben.

Je nach Interesse am jeweiligen Grundthema, mag das ein oder andere Buch dem einzelnen Leser mehr oder weniger zusagen (ich beispielsweise bin kein großer Fan von "The Stand", weil ich mit Endzeitthemen wenig anfangen kann), aber gibt es einen wirklich schlechten King? Mir ist noch keiner begegnet, wobei ich zwar viele, aber noch längst nicht alle Bücher von ihm gelesen habe.

In "Revival" ist das immer präsente Hintergrundthema die Elektrizität, von der Charles Jacobs geradezu besessen ist. Und da Jamies Schicksal seit der ersten Begegnung mit Charles Jacobs mit dessen Leben untrennbar verbunden scheint, hat Jamie keine Chance, Charles und dessen Hang zur Elektrizität zu entkommen.

Der Leser begleitet Jamie - und damit auch Jacobs - über einen sehr langen Zeitraum, mehr als 60 Jahre gehen ins Land, bis das Ende der Geschichte erreicht ist.

Wie bei vielen Büchern von Stephen King, benötigt die Handlung einen Vorlauf, bevor sich eine Vorstellung davon im Kopf des Lesers einnistet, worauf sie hinauslaufen wird oder könnte. Typisch auch, dass man im Laufe der Zeit viele Kleinigkeiten erfährt, die man für nebensächlich hält und wo erst im Nachhinein klar wird, dass nur so ein stimmiges Ganzes erreicht wird.
Vorlauf bedeutet nicht, dass das Lesen zäh oder langweilig wäre - ganz und gar nicht. Die Geschichte von Jamie nimmt den Leser direkt mit und so fragt man sich erst nach einer gewissen Zeit, in der man wunderbar unterhalten wurde, wann denn wohl das Grauen auftauchen wird?

Dass es das tut, ist unleugbar, man erahnt es bereits, aber der Autor quält seine Leser, indem die Spannung Stück für Stück ansteigt und tatsächlich wie Elektrizität unter der Haut kribbelt, bis man glaubt, es kaum noch ertragen zu können, doch Stephen King lässt sich Zeit, bis man es kaum noch aushält, endlich den Showdown zu erreichen.

"Revival" ist die Art subtiles Grauen, das wir auch von "The Green Mile" kennen, nicht das offene Gruseln von "Es" oder "Friedhof der Kuscheltiere". Doch genau dieses subtile Grauen ist es, was sich im Kopf des Lesers einnistet und dadurch über das Lesen hinaus fortbesteht und das Gehirn beschäftigt hält...

"Revival" ist ein King - ganz klar. Mitreißend, unterhaltsam und durch das eigene Kopfkino auch gruselig - aber es gibt doch den ein oder anderen King, der mir besser gefallen hat, auch wenn dies jetzt wirklich jammern auf hohem Niveau ist.

Stephen King
"Revival"
ISBN: 978-3-453-26963-7
erschienen bei Heyne

Sonntag, 22. März 2015

[Rezension] Kristin Harmel - Über uns der Himmel

Kurzbeschreibung:
"Die junge Kate Waithman lebt mit ihrem Mann Patrick in Manhattan. Eines Morgens geht sie am Hudson River joggen, als plötzlich ein Flugzeug den Himmel durchbricht. Momente später ist das World Trade Center in Rauch gehüllt. Es ist das Gebäude, in dem Patrick arbeitet...

Dreizehn Jahre später fühlt sich Kate endlich bereit, ihr Herz wieder zu öffnen. Doch dann hat sie einen unglaublich realen Traum - von dem Leben, das sie mit Patrick gehabt haben könnte. Während sie Nacht für Nacht an ihrer verlorenen Liebe festhält, beginnt Kate zu ahnen, dass es für sie einen zweiten Weg zum Glück geben könnte..."

Fazit:
"Solang am Himmel Sterne stehen" von Kristin Harmel war in meinen Augen ein ganz besonderes Buch. Viele Autoren schreiben nie ein derart berührendes und bewegendes Werk und entsprechend unwahrscheinlich ist es, dass dies jemandem mehrfach gelingt. Aus diesem Grund habe ich von vornherein versucht, keine Vergleich anzustellen, sondern "Über uns der Himmel" als das zu sehen, was es ist - ein eigenständiges Werk.

Dennoch hatte ich meine Anfangsschwierigkeiten mit diesem Roman. Dies lag weder am Schreibstil, der gerade im Verlauf des Buches genau so berührend wird, wie ich es bei dieser Autorin mag, noch an den Charakteren, die Kristin Harmel sehr lebensnah und bildhaft gestaltet hat. Vielmehr rührten meine Probleme von Kates Träumen her. Diese realen Träume, in denen sie in einem Leben aufwacht, "wie es hätte sein können", mit ihrem toten Mann, der quicklebendig und entsprechend der vergangenen dreizehn Jahre gealtert ist und in einer Parallelrealität, in der sie mitunter mehrere Stunden verbringt und aus denen sie Wissen mitnimmt, was sich in der normalen Realität als wahr herausstellt, über welches sie aber eigentlich gar nicht verfügen kann - das konnte ich nicht so recht mit der ansonsten real gestalteten Handlung in Einklang bringen.

Nach etwa 100 Seiten hatte mich die restliche Handlung aber so mitgenommen, dass ich die "Traumwelt" in Kauf nahm und da diese im weiteren Verlauf seltener auftaucht, hat es mich irgendwann auch nicht mehr gestört.

Davon abgesehen haben wir mit "Über uns der Himmel" einen wundervollen Roman: Kate muss lernen, die große Tragödie ihres Lebens soweit hinter sich zu lassen, dass sie nach vorn blicken und sich wieder ein eigenes Leben aufbauen kann und das fällt ihr alles andere als leicht. So ist der Leser Schritt für Schritt dabei und hofft und bangt, dass sie nicht wieder in alte Verhaltensmuster zurückfällt, dass sie erkennt, was dem Leser sowieso klar ist und dass am Ende alles gut wird.

Sehr interessant fand ich die Einblicke in die Welt der Gehörgeschädigten und der Musiktherapie. Gerade das Spektrum der Musiktherapie war mir bisher so nicht bekannt.

Der Lesefluss ist - trotz meiner Anfangsschwierigkeiten - sehr gut und die Handlung nimmt den Leser mit in Kates nicht immer einfache Welt. Die Gefühle, die in "Über uns der Himmel" eine große Rolle spielen, werden so gut transportiert, dass ich mitunter selbst Tränen in den Augen hatte ob des großen Verlusts, den Kate erlitten hat.

Wer keine Schwierigkeiten damit hat, dass die Realität etwas verlustig geht, hat mit "Über uns der Himmel" ein interessantes, berührendes und bewegendes Leseerlebnis.

Kristin Harmel
"Über uns der Himmel"
ISBN: 978-3-442-38333-7
erschienen bei Blanvalet

Donnerstag, 19. März 2015

[Rezension] Petra Durst-Benning - Bella Clara (Jahrhundertwind-Trilogie)

Kurzbeschreibung:
"1906: Hoffnungsvoll reist Clara an den Bodensee. Sie träumt von einem neuen Leben. Die Berlinerin lässt den eleganten Käfig ihrer gescheiterten Ehe hinter sich, endlich will sie ihre Pläne verwirklichen. Als Tochter eines Apothekers kennt sie sich aus mit den Kräften der Natur. Und sie macht die Schönheit der Frauen zu ihrer Lebensaufgabe. Clara blüht auf, die neue Freiheit schenkt ihr innere Ruhe. Doch die Schatten der Vergangenheit drohen ihr strahlendes Glück zu zerstören. Kann Clara ihrem Geschick vertrauen?"

Fazit:
"Bella Clara" ist der der Abschlussband der "Jahrhundertwind"-Trilogie von Petra Durst-Benning. Man kann das Buch problemlos ohne Kenntnis der ersten beiden Bände "Solang die Welt noch schläft" und "Die Champagnerkönigin" lesen, aber wie in den meisten Fällen ist es selbstverständlich schöner, alle drei zu genießen.

"Bella Clara" ist ein für die Autorin typisches Buch, wenn es so etwas gibt - und das im positivsten Sinne! Ein starker weiblicher Charakter, der seinen Weg finden und gehen muss, wobei es natürlich nicht ohne Rückschritte, Hindernisse und Katastrophen vonstatten geht. Außerdem ist für mich ein Markenzeichen von Petra Durst-Benning, dass ihre Charaktere lebensnah und echt sind, nichts Gekünsteltes, nichts Aufgesetzes - man würde ihr sofort glauben, dass Josefine, Isabelle und Clara gemeinsam über die Straßen Berlins Anfang des 20. Jahrhunderts spazieren.

Außerdem fasziniert mich jedes Mal, wie es der Autorin gelingt, im jeweiligen Buch derart spezifisch auf die entsprechende Hauptprotagonistin einzugehen: Galt in "Solang die Welt noch schläft" Jos Leidenschaft dem Radfahren, aber auch dem Fahrrad und der Technik selbst, wurden wir in "Die Champagnerkönigin" mit dem Lesen des Buches gemeinsam mit Isabelle fast selbst zu Champagnerexperten und in "Bella Clara" bekommt man neben einer einfühlsamen und bewegenden Handlung diverse Kenntnisse über Schönheitspflege direkt mit auf den Weg. Man spürt beim Lesen, dass der Autorin ihre Charaktere sehr am Herzen liegen und sie sich nicht scheut, entsprechend profund zu recherchieren, um dem gerecht zu werden.

Leser der gesamten Trilogie kennen Clara bereits aus den ersten beiden Bänden und auch in "Bella Clara" bleibt diese sich selber treu und entwickelt sich dennoch weiter. Clara erscheint dem Leser als derart liebenswerte Person, dass man sie vor allem Bösen bewahren will und so saß ich mitunter mit dem aufgeschlagenen Buch da und dachte fast schon lautstark in meinem Kopf: "Nein Clara!! Lass es, das gibt nur Ärger!" - es geht doch nichts über ein mitreißendes Buch!

Der Lesefluss ist entsprechend flüssig und dank diverser Geheimnisse und Entwicklungen ist man oft mehr als gespannt, wie das Ganze ausgehen mag - dennoch oder gerade deshalb war ich mit dem Lesen der letzten Seite und dem damit verbundenen Abschied von Jo, Isabelle und Clara doch sehr gerührt.
Freut euch, die ihr dieses Lesevergnügen noch vor euch habt!

Petra Durst-Benning
"Bella Clara"
ISBN: 978-3-471-35059-1
erschienen bei List

Sonntag, 15. März 2015

[Rezension] Rudi Jagusch - Mordsommer

Kurzbeschreibung:
"Ein anonymer Brief erreicht die angehende Oberstaatsanwältin Nina Lehmann. Die Enthüllung eines streng gehüteten Geheimnisses würde ihre Karriere ruinieren. Doch sie will sich nicht einschüchtern lassen und fährt zu dem im Brief gennanten abgelegenen Ort. Zu ihrer Überraschung ist sie nicht allein einbestellt worden. Nach und nach treffen weitere fünf Mitglieder ihrer alten Schulclique ein, die ebenfalls etwas zu verbergen haben."

Fazit:
Die Idee an sich ist nicht neu: "Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast.." In diesem Fall ist "letzten Sommer" allerdings mehr als zwanzig Jahre her und die Mitglieder der damaligen Jugendclique haben nahezu alle etwas aus ihrem Leben gemacht. So auch Nina Lehmann, die auf dem besten Weg ist, zur Oberstaatsanwältin befördert zu werden.

Sehr bald nach Beginn des Lesens wird die Neugier geweckt: Was mag Nina zu verbergen haben, dass sie auch nach all dieser Zeit noch überzeugt ist, dass ihre Karriere vorbei wäre, sollte ihr Geheimnis ans Licht kommen? Und spätestens mit dem Eintreffen der Beteiligten im verlassenen Dorf Staudenhof wird aus dieser Neugier eindeutig Spannung.

Parallel zum gegenwärtigen Geschehen erfährt der Leser Stück für Stück wie Ninas damaliges Leben aussah, wie sie die anderen Cliquenmitglieder kennenlernt, Teil der Gemeinschaft wurde und wie sich diese die Zeit vertrieb...auch hier steigt die Spannung immer weiter an, bis beide Handlungsstränge ihrem eigenen Höhepunkt und Showdown entgegensteuern - zu diesem Zeitpunkt ist man längst nicht mehr in der Lage, "Mordsommer" aus der Hand zu legen.

Selbstverständlich hatte ich während eines Großteils der Handlung so meinen Verdacht, wer hinter den mysteriösen Ereignissen steckt - sehr gut gefallen hat mir dann, dass es jemand ganz anderes war!

Schlucken musste ich zwischendurch allerdings auch mehrfahr, was aber daran liegt, dass ich persönlich generell ein Problem habe, über Tiermisshandlungen zu lesen...

Der Lesefluss ist durchweg hervorragend, ebenso der Spannungsbogen - dazu kommen sehr unterschiedliche, aber wunderbar charakterisierte Protagonisten und eine Handlung, die nur auf den ersten Blick durchschaubar erscheint - fertig ist ein spannender, unterhaltsamer Thriller, wie er sein soll!

Rudi Jagusch
"Mordsommer"
ISBN: 978-3-453-43785-2
erschienen bei Heyne

Samstag, 14. März 2015

[Rezension] Micaela Jary - Das Haus am Alsterufer

Kurzbeschreibung:
"Hamburg 1911: Nur widerstrebend stimmt der verwitwete Reeder Victor Dornhain der Heirat seiner Tochter Lavinia mit dem Architekten Konrad Michaelis zu. Niemand in der Familie ahnt, dass Lavinias Schwester, die Malerin Nele, ihren Schwager liebt. Etwa zeitgleich wird die 16-jährige Klara Tießen als Hausmädchen bei Dornhains eingestellt. Nur Victor Dornhain und seine Mutter Charlotte wissen, dass Klara sein illegitimes Kind ist. Drei Jahre später bricht der Große Krieg aus und verändert alles: In der Tragödie erkennt Lavinia ihre wahre Bestimmung, Klara findet auf der Suche nach ihrer unbekannten Mutter den Mann ihres Lebens, und das Schicksal seiner Familie wird für den Reeder eine Frage der Ehre..."

Fazit:
Schon allein das Cover des Buches ist ein Blickfang, wie ich finde - das historische Flair prangt schon auf dem Buchdeckel, da weiß man direkt, was einen erwartet.

Nachdem ich die Geschichte der Dornhains jetzt gelesen habe, ärgere ich mich doch über den Klappentext. Dass beispielsweise Klara Victors Tochter ist, kann der Leser irgendwann im Laufe des Buches vermuten, tatsächlich ausgesprochen bzw. in diesem Fall aufgeschrieben, wird es aber erst auf der letzten Seite - da wäre einiger Spielraum für Vermutungen erhalten geblieben, wenn dies dem Leser nicht schon vor dem Lesen bekannt gegeben worden wäre. Darüber hinaus findet Lavinia ihre "Bestimmung" dann auch erst ganz am Ende der Handlung und Klara trifft Gabriel, ihre große Liebe, vollkommen unabhängig von der Suche ihrer Mutter...

Doch genug der Kritik, denn an der eigentlichen Handlung habe ich keine: Micaela Jary zeigt sehr schön das Korsett der ungeschriebenen Regeln, in das jeder Bürger der höheren Schicht geschnürt wurde - gerade Frauen durften sehr vieles nicht, weil es sich nicht schickte und waren in ihrer persönlichen Freiheit sehr eingeschränkt. Auch dass eine Heirat aus vielen Gründen geschlossen werden konnte, wenn sie Vorteile mit sich brachte - Liebe war allerdings kein zwingender - wird am Leben der Schwestern deutlich.

Die Charaktere in "Das Haus am Alsterufer" sind sehr vielschichtig und unterschiedlich. Doch ausnahmslose alle, selbst die egoistische und naive Lavinia, wachsen dem Leser mit der Zeit ans Herz. Und auch die Schicksale, die sie erwarten, lassen den Leser nicht unberührt. Der emotionale und mitunter tragische Plot bringt den Leser in eine Zwickmühle: einerseits meint man, kein weiteres Drama ertragen zu können, weil man automatisch mitleidet, andererseits ist nicht weiterlesen aber definitiv auch keine Option!

Sehr schön beleuchtet Micaela Jary auch einen Aspekt, der bei Weltkriegsbüchern oft zu kurz kommt:  Die Heimatfront. Denn hier befinden wir uns nicht auf dem Schlachtfeld, sondern in Hamburg und die Auswirkungen, die der Weltkrieg dort auf die Bürger hat, wird wunderbar herausgestellt. Auch erfährt man einiges über die Frauenbewegung der damaligen Zeit, was ich ebenfalls sehr interessant fand.

Sollte ich einen Kritikpunkt haben, dann lediglich den, dass wir Neles, Lavinias und auch Klaras Leben ausgiebig begleiten, Elinor, die älteste der Schwestern, hingegen bleibt im Hintergrund und kommt meines Erachtens ziemlich kurz - dabei wäre bei ihr sicher auch einiges an Potential gewesen.

"Das Haus am Alsterufer" ist eine mitreißende und tief greifende Familiensaga, die man jedem Liebhaber historischer Bücher nur empfehlen kann!

Micaela Jary
"Das Haus am Alsterufer"
ISBN: 978-3-442-48028-9
erschienen bei Goldmann

Freitag, 6. März 2015

[Rezension] Clarissa Linden - Ich warte auf dich, jeden Tag

Kurzbeschreibung:
"Erin steht vor den Scherben ihres Lebens: Ihr Mann hat sie verlassen, und ihr Job ist gefährdet. Auf dem Speicher ihres Elternhauses findet sie unter den Hinterlassenschaften ihres Großvaters ein Flugticket nach Deutschland und einen alten Liebesbrief, unterschrieben von einer Lily. Erin hat ihren Großvater stets als kalten und unnahbaren Menschen kennengelernt. Und ausgerechnet er soll eine heimliche Liebe gehabt haben? Unfassbar! Erin reist nach Deutschland und begibt sich auf die Spur der geheimnisvollen Lily, die in den dreißiger Jahren eine leidenschaftliche Gegnerin der Nazis war..."

Fazit:
Die Geschichte um Erin und ihren Großvater bzw. um Alexander und Lily, wird in zwei unterschiedlichen Handlungssträngen erzählt, die gegen Ende zusammenlaufen: Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts weiß Erin nicht, wie sie ihr Leben bewältigen soll, nachdem ihr Mann sie verlassen hat. Sie ergreift die Chance und macht sich auf, Lily zu finden.

Ich bin kein Freund von Erzählungen in der Ich-Form oder im Präsens. Bei Erins Handlungsstrang vereint sich beides, was mich anfangs gestört hat - aber Clarissa Linden hat mich so mit in die Handlung gezogen, dass ich später einfach darüber hinweg sehen konnte.

Sehr gut gefallen hat mir die Metamorphose, die Erin im Verlauf der Handlung durchmacht und die Idee ihrer Freundin Charlotte, Erins Leben, ihre Einstellung und Erlebnisse mit Buchzitaten zu kommentieren und zu erwarten, dass Erin zum einen herausfindet, um welches Buch es sich handelt und dieses zum anderen innerhalb einer Woche liest. So beginnt jedes Kapitel dieses Handlungsstrangs mit einem Buchzitat, was mir als Bookaholic natürlich ausnehmend gut gefallen hat.

Anfang der 30er Jahre begegnen sich Lily und Alexander an der Universität, zwei Welten treffen aufeinander: Lily, das Mädchen aus der Arbeiterschicht, bei der die politische Arbeit für die SPD fest in der Familie verwurzelt ist und Alexander, der Sohn aus besserem Hause, der in Künstlerkreisen verkehrt und mit Politik gar nichts anfangen kann. Doch wie das Leben so spielt, verlieben sie sich ineinander, gegen alle Widerstände und gegen Lilys eigene Unsicherheiten. Dann muss Alexanders Familie vor den Nazis fliehen und Lily muss sich einer Entscheidung stellen.

Weder der Klappentext, noch meine Beschreibung können diesem Buch gerecht werden! Gefühl und Atmosphäre lassen sich nur schwer in Worte fassen und genau die sind es, die "Ich warte auf dich, jeden Tag" so aussergewöhnlich machen.

Clarissa Linden lässt das geschriebene Wort so lebendig werden, dass man nicht nur in der Handlung bzw. den Handlungen versinkt, die Gefühle und Erlebnisse der Protagonisten gehen dem Leser direkt unter die Haut, sodass er tatsächlich ebenfalls "fühlt". Mitunter sprach soviel Schmerz aus den Zeilen, dass ich mit dem Lesen innehalten musste oder soviel Liebe, dass einem selbst die Tränen in den Augen standen.

Bücher, die mich derart bewegt haben, kann ich auch nach Jahrzehnten aktiven Lesens an einer Hand abzählen - und die ist dann noch immer nicht voll, aber "Ich warte auf dich, jeden Tag" hat sich zu diesem illustren Kreis gesellt und wir mir sicher immer in Erinnerung bleiben.

Ein wundervoller Roman mit viel Gefühl, gutem wie schlechtem, aber ebensoviel Humor, für Liebhaber von "P. S. Ich liebe dich" von Cecelia Ahern und "Solang am Himmel Sterne stehen" von Kristin Harmel.

Clarissa Linden
"Ich warte auf dich, jeden Tag"
ISBN: 978-3-426-51605-8
erschienen bei Knaur

Montag, 2. März 2015

[Rezension] Joanne St. Lucas - Rückkehr des Herzens (Lake Anna 2)

Kurzbeschreibung:
"Nach zwölf Jahren in Portland kehrt Sara Cross nach Lake Anna zurück und tauscht die Hektik der Notaufnahme gegen eine beschauliche Landarztpraxis. Schnell stellt sie fest, dass sich ihr Heimatort ebenso wenig verändert hat wie die Menschen, die hier leben. Allen voran Max Bennett, der Schwarm ihrer Jugend.
Ein Einsatz der Bergrettung zwingt die beiden zu einem ungewollten Campingabenteuer. All die aufgestauten Gefühle, die seit Saras Rückkehr zwischen ihnen brodeln, entladen sich in dieser einen Nacht - die nicht ohne Folgen bleibt. Als sich Max der Konsequenzen bewusst wird, bittet er Sara aus Pflichtgefühl, ihn zu heiraten. Doch sie lehnt ab. Schon einmal hat sie um die Liebe eines Mannes gekämpft, dem sie nicht genug war. Eine Vernunftehe kommt für sie nicht infrage. Sie will den Mann, den sie liebt ganz - oder gar nicht."

Fazit:
Nach "Flucht des Herzens" ist "Rückkehr des Herzens" der zweite Teil um die kleine Gemeinde am Lake Anna und die Bennett-Familie. Nachdem sich im ersten Teil Alex und Josh gefunden haben, stehen nun Sara Cross und Max im Mittelpunkt. Dennoch fand ich es sehr schön, dass Alex, Josh und auch Shane wieder mit von der Partie waren!

Wie bereits im ersten Teil, hat einen bereits nach wenigen Sätzen die Atmosphäre der urwüchsigen Landschaft um Lake Anna erfasst und man reist im Kopf direkt dorthin. Zugegebenermaßen ist Lake Anna auch sicher nicht der schlechteste Platz für eine Kopfreise: nicht nur die Landschaft und das pittoreske Örtchen sind eine Reise wert, wo findet man sonst schon so viele gutaussehende Männer mit charmantem Brett-vorm-Kopf auf einem Haufen?

Natürlich weiß der Leser schon von der ersten Seite an, dass Sara und Max spätestens am Ende der Geschichte vereint sein werden - dennoch lohnt sich der Weg bis dahin absolut. Denn auch wenn auf den ersten Blick alles nach perfekter Kulisse aussieht, bringt Joanne St. Lucas jede Menge Realität in Geschichte und Charaktere ein. Beispielsweise Max' manchmal unberechenbares Verhalten, gespeist aus der Angst, so zu werden wie sein soziopathischer Vater oder Shanes Schicksal, von dem wir in "Rückkehr des Herzens" neue traumatische Details erfahren.

Zum Lesefluss möchte ich nur erwähnen, dass ich die etwas mehr als 220 Seiten an einem regnerischen Sonntagnachmittag gelesen habe - ich hätte aber auch vor der letzten Seite nicht mehr stoppen können, zu gefangen war ich in Max' und Saras Geschichte.

"Rückkehr des Herzens" ist ein wunderbarer Liebesroman, der dennoch Tiefgang nicht vermissen lässt. Schon jetzt freue ich mich auf das Erscheinen des dritten Bandes und Ryans Geschichte!

Joanne St. Lucas
"Rückkehr des Herzens"
ISBN: 978-9963-52-494-5
erschienen bei Bookshouse

[Rezension] John Friedmann - Das Blaue vom Himmel

Kurzbeschreibung:
"Seit dem Tod ihres Mannes zeigt Sophie nur noch für einen guten alten Freund, ihren Hund und das Schachspielen wirkliches Interesse. Bis sie eines Tages von ihrem joggenden Nachbarn über den Haufen gerannt wird.
Sophies Lebensgeister regen sich: Dem wird sie einen Denkzettel verpassen! Doch damit hält ein Mann Einzug in ihr Leben, bei dem sie nicht so recht weiß, was sie von ihm halten soll..."

Fazit:
Vor fast drei Jahren hat John Friedmann seinen Debütroman "Flaschendrehen furioso" herausgebracht und damit gezeigt, dass er nicht nur hochdeutsch, sondern einen ganze Roman schreiben kann - und das in einer fesselnden und unterhaltsamen Weise. Mir hat das Buch damals sehr gut gefallen und so landete "Das Blaue vom Himmel" natürlich auf meiner Wunschliste, sobald ich mitbekam, dass ein neues Buch in den Startlöchern steht.

"Das Blaue vom Himmel" ist ganz anders als "Flaschendrehen furioso", aber in vielem dann auch wieder sehr ähnlich.
Die Handlung ist eine komplett andere: Sophie gerät in einen Strudel von Intrigen, illegalen Machenschaften und menschlichen Verfehlungen, wie sie es sich nie hätte träumen lassen. Von München nach Miami und wieder zurück, wechselt das Buch zwischen Roman, Krimikomödie und ernsthafter Spannung - nicht unbedingt in dieser Reihenfolge und immer wieder.

Einige Sachen haben sich aber nicht verändert: bei John Friedmann ist ein Charakter nicht immer dauerhaft so, wie er am Anfang scheint: in "Das Blaue vom Himmel" fühlt man sich anfangs wie in einer Comedyshow für Stereotypen: der pünktliche Deutsche, die oberflächlichen Amis, etc. Im Verlauf der Geschichte entwickeln einige Protagonisten aber eine Charaktertiefe, die man ihnen anfangs nicht zugetraut hätte - Gottseidank nicht alle: unseren Ex-Marine Pete, der glaubt, eigentlich im Pentagon sitzen zu müssen, möchte ich um nichts in der Welt missen!

Darüber hinaus weisen die Beschreibungen von Land und Leute durch John Friedmann eine Detailgenauigkeit auf, die sie sehr bildhaft rüberkommen lässt, was ich wirklich bewundernswert finde - nicht nur Kopfkino, sondern HD-Qualität.

Alles in allem hat mich "Das Blaue vom Himmel" unterhalten, amüsiert, vor Spannung unruhig hin- und herrutschen und zwischendurch auch aufseufzen lassen - eine Handlung, die man nicht immer ganz ernst nehmen, den entscheidenden Moment für die Ernsthaftigkeit aber auch nicht verpassen sollte mit Charakteren, die überraschen können.

John Friedmann
"Das Blaue vom Himmel"
ISBN: 978-3-426-51621-8
erschienen bei Knaur