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Samstag, 30. März 2019

[Rezension] Bill Clinton / James Patterson - The President is missing

Kurzbeschreibung:
""The President is missing" handelt von einer Bedrohung so gigantischen Ausmaßes, dass sie nicht nur das Weiße Haus und die Wall Street in Aufruhr versetzt, sondern ganz Amerika.
Angst und Unsicherheit halten die Nation in ihrem Würgegriff. Gerüchte brodeln - über Cyberterror und Spionage und einen Verräter im Kabinett. Sogar der Präsident selbst gerät unter Verdacht und ist plötzlich von der Bildfläche verschwunden."

Fazit:
Es gibt Leser, die das Buch wegen, und solche, die es trotz des Namens von Bill Clinton auf dem Cover lesen.
Egal zu welcher Fraktion man gehört - bereits nach wenigen Seiten ist das vollkommen nebensächlich, denn das Buch zieht einen sehr schnell in seinen Bann.

Natürlich ist es sehr amerikanisch, sehr politisch und Mr. President ist ein wandelndes Gutmensch-Klischee - aber das war zu erwarten.

Die Autoren zeichnen ein Szenario, wie es wahrscheinlich noch viel näher an der möglichen Realität ist, als man sich vorstellen mag. Eine Terrorgruppe droht, mit einem Virus die gesamte Nation lahm zu legen: Banken, Regierung, Wasseraufbereitung, Strom - alles! Der Präsident versucht, diese Bedrohung mit allen Mitteln abzuwehren und das möglichst, ohne dass die Zivilbevölkerung von der Bedrohung erfährt.

Der Lesefluss ist sehr gut, denn die Handlung ist durchweg spannend und der Präsident definitiv ein Sympathieträger. Aber auch andere beteiligte Charaktere sind sehr lebensecht und bildhaft. Der Leser fiebert durchweg an der Seite des Präsidenten und durchlebt mit diesem die wohl aufreibendsten drei Tage seines Lebens.

Ich hatte auf spannende unterhaltsame Lektüre gehofft, allein schon wegen James Pattersons Name auf dem Cover. Aber mit der Sogwirkung und Begeisterung, mit der ich "The President is missing" letztendlich gelesen habe, habe ich nicht gerechnet.

Egal wer welchen Anteil an diesem Buch hat: Von diesem Autorenduo würde ich gern noch weitere Bücher lesen.

Bill Clinton / James Patterson
"The President is missing"
erschienen bei Droemer Knaur

Freitag, 29. März 2019

[Rezension] Thorsten Steffens - Klugscheißer Royale

Kurzbeschreibung:
"Timo Seidel ist 28 Jahre alt und führt ein Leben ohne jegliche Ambitionen. Anstatt wie seine Freunde Karriere zu machen, ist er in seinem Studentenjob hängengeblieben. Dementsprechend uninspiriert führt er seine Arbeit aus, so dass er fristlos entlassen wird. Zu allem Überfluss hat seine Freundin Cleo beschlossen, sich von ihm zu trennen. Nun steht er also da: Ohne Freundin, ohne Job, ohne Geld und ohne Perspektive. Aus heiterem Himmel bietet sich ihm jedoch eine außergewöhntliche Offerte: Er bekommt einen befristeten Arbeitsvertrag als Lehrer. Nun ist es also offiziell: Für die kommenden sechs Monate darf Timo staatlich beauftragter Klugscheißer sein. Im öffentlichen Dienst! Vom Staat angeheuert wie James Bond! Quasi 007 Klugscheißer Royale! Schnell muss er allerdings feststellen, dass der Lehrerberuf doch ein wenig schwieriger ist als ursprünglich gedacht..."

Fazit:
Ich glaube fest daran, dass ein unterhaltsamer Roman schwieriger zu schreiben ist als ein spannender. Denn nur so erschließt sich mir, warum es Dutzende spannender Romane gibt, die mir sehr gut gefallen haben - aber nur eine Handvoll unterhaltsame Romane.

Es ist auch nicht einfach: anfangs humorvoll wird im Verlauf oft langweilig, albern oder es kommt auch überhaupt kein bißchen Tiefgang - als Leser ist man ja schwierig zufrieden zu stellen und da möchte ich mich auch nicht von ausnehmen.

Desto mehr freue ich mich aber auch, wenn ich einen unterhaltsamen, humorvollen Roman lese, dem genau das oben beschriebene nicht passiert.

Timo Seidel ist tatsächlich ein Klugscheißer par excellence und bereits nach wenigen Seiten wundert es niemanden, dass er seinen Job im Callcenter verliert, man wundert sich eher, wie sie es dort jahrelang mit ihm ausgehalten haben. Auch dass seine Freundin zu Hause auf gepackten Kisten sitzt kann man nachvollziehen - für fünf Jahre mit ihm hätte sie schon einen Orden verdient gehabt. Und da steht er nun: Job weg, Freundin weg und Geld hat er auch keins, immerhin hat Cleo deutlich mehr Geld verdient als er und sein Callcentergehalt ging für die Raten des BMW drauf....

Eigentlich müsste Timo ein Unsympath sein - ist er aber nicht. Auch wenn man ihn anfangs betrachtet wie eine Laborratte: man mag ihn! Und nach und nach wird auch so etwas wie ein erwachsener Mann aus ihm.

Thorsten Steffens gelingt es, Humor und Tiefgang zu kombinieren: Timos Weg vom "Hotel Cleo" zu einem eigenständigen Leben ist mitunter lustig und man muss viel schmunzeln, aber es gibt auch eine Reihe ernster Themen die angesprochen werden und gegen Ende kann man es nicht mehr abstreiten: Timo und sein Dasein gehen einem unter die Haut.

Entsprechend gut ist der Lesefluss, Langweile sucht man vergeblich und auch die anderen Charaktere im Buch sind sehr einzigartig gestaltet (mein persönlicher Favorit ist ja die Schulleiterin Frau Penner). Das Buch ist in sich geschlossen, dennoch hoffe ich auf ein Wiederlesen mit Timo und seien wir ehrlich: So eine Uni ist doch der perfekte Ort für einen Klugscheißer!

Thorsten Steffens
"Klugscheißer Royale"
erschienen im Piper Verlag

Sonntag, 24. März 2019

[Rezension] Ursula Poznanski - Vanitas - Schwarz wie Erde

Kurzbeschreibung:
"Manchmal ist ein Friedhof der sicherste Ort für die Lebenden. Auf dem Wiener Zentralfriedhof jedenfalls ist die Blumenhändlerin Carolin ein so gewohnter Anblick, dass sie beinahe unsichtbar ist. Ebenso wie die Botschaften, die sie mit ihren Auftraggebern austauscht, raffiniert verschlüsselt in die Sprache der Blumen - denn ihre größte Angst ist es, gefunden zu werden.
Noch vor einem Jahr war Carolins Name ein anderer; damals war sie als Polizeispitzel einer der brutalsten Banden des organisierten Verbrechens auf der Spur. Kaum jemand weiß, dass sie ihren letzten Einsatz überlebt hat. Doch dann erhält sie einen Blumengruß, der sie zu einem neuen Fall nach München ruft - und der sie fürchten lässt, dass sie ihren eigenen Tod bald ein zweites Mal erleben könnte..."

Fazit:
Seit Jahren bin ich ein großer Fan von Ursula Poznanskis Reihe um die Ermittler Beatrice und Florin. Entsprechend habe ich mich gefreut, dasss "Vanitas - schwarz wie Erde" der Auftakt einer neuen Thrillerreihe der Autorin ist.

Allerdings musste ich schnell erkennen, dass Carolin leider so gar nicht das Format von Beatrice und Flo hat.

Der Anfang ist durchaus interessant: wir lernen Carolin kennen, die in einer Blumenhandlung am Wiener Zentralfriedhof arbeitet und Angst hat. Dass sie Angst hat, begegnet uns dann leider immer und immer wieder - man sollte meinen, dass auch der unaufmerksamste Leser nach der zehnten Erwähnung verinnerlicht hat, dass Carolin Angst hat.

Zu gern hätte man im Verlauf des Buches erfahren, was damals genau passiert ist, allerdings bekommt der Leser nur einzelne Häppchen serviert und das große Ganze spart sich Ursula Poznanski wohl für einen weiteren Teil der Reihe auf.

Abgesehen davon, dass sie Angst hat und nach München übersiedeln muss, passiert erstmal nicht viel. Es kommen neue Charaktere hinzu, von denen einige durchaus interessant sind, was aber genau gespielt wird, erfährt der Leser eine ganze Weile nicht. Und so plätschert die Handlung vor sich hin, Spannung sucht man meist vergeblich und Carolin als Protagonistin wird irgendwann geradezu nervtötend.

Gegen Ende gibt es dann eine Auflösung, die ganz nett ist und einige Seiten lang auch tatsächlich Spannung mit sich bringt - allerdings kann das den Rest der langatmigen Handlung auch nicht mehr ausgleichen.

"Vanitas - schwarz wie Erde" hat mich leider wirklich enttäuscht, ich bin von Ursula Poznanski ein ganz anderes Level gewohnt.

Ursula Poznanski
"Vanitas - schwarz wie Erde"
erschienen bei Droemer Knaur

[Rezension] Jilliane Hoffman - Nemesis

Kurzbeschreibung:
"Ein geheimes Forum im Internet. Dreizehn Männer, die viel Geld bezahlen, um live dabei zu sein, wenn junge Frauen sterben: die ahnungslosen Kandidatinnen im "Spiel ohne Grenzen".

Als in Miami eine brutal zugerichtete Frauenleiche entdeckt wird, kommt Staatsanwältin C. J. Townsend dem perversen Spiel des Clubs auf die Spur. Sie tut alles, um die Macher aufzuhalten, doch dann verschwindet eine weitere junge Frau. Und noch ehe C. J. begriffen hat, dass die Regeln des Spiels sich geändert haben, verwandelt sich auch ihr eigenes Leben in einen Albtraum..."

Fazit:
"Nemesis" ist der vierte Teil um die Staatsanwältin C. J. Townsend. Auch wenn 2012 beim Erscheinen von "Argus", dem dritten Teil, das Gerücht umging, dass das der Abschlussband der Reihe wäre, hat sich die Autorin einen Gefallen getan, indem sie "Nemesis" geschrieben hat.

Es ist viel Zeit seit "Cupido" vergangen und das ist gut so. Genau wie mir ging es vielen Lesern, jeder weitere Band wurde mit "Cupido" verglichen und das ist ein Anspruch, dem wahrscheinlich kein Autor wirklich gerecht werden kann.
Nach all den Jahren nun ist man auch als Leser entspannter und hofft auf einen spannenden, unterhaltsamen Thriller.

Den Snuff-Club, um den es in "Nemesis" vorwiegend geht, kennen die Leser bereits aus "Argus", dennoch ist die Kenntnis des Buches nicht unbedingt notwendig. Um die besondere Verbindung zwischen C. J. und Bill Bantling alias "Cupido" zu verstehen, muss man allerdings die Vorgängerbücher durchaus gelesen haben.

Möglicherweise, wenn man es aus Entfernung betrachtet, etwas an den Haaren herbei gezogen, aber eigentlich durchaus verständlich aufgrund der Vorgeschichte, wird C. J. in diesem Buch zu "Nemesis", der Göttin der gerechten Vergeltung. Was genau das heißt, wird jeder selbst herausfinden müssen, aber eine Gratwandlung der Staatsanwältin ist es allemal.

Bei "Argus" habe ich bemängelt, dass zu wenig Spannung aufkam und wieder einmal zu detailliert auf das amerikanische Gerichtswesen eingegangen wurde - beides kann man von "Nemesis" nicht behaupten. Dass das amerikanische Gerichtswesen zu vernachlässigen ist, ergibt sich aus der Sache und Spannung ist definitiv vorhanden.

Entsprechend gut ist der Lesefluss, kurze Kapitel und Perspektivenwechsel tun ein Übriges, um den Leser am Buch zu halten. Viele Charaktere kennt man bereits, neue werden, wie man es von Jilliane Hoffman kennt, lebensecht gestaltet und fügen sich wunderbar ins Geschehen ein.

Nein, "Nemesis" ist kein "Cupido", aber das muss es auch nicht, es kann für sich ganz allein bestehen. Ein spannender, unterhaltsamer Thriller für alle, die amerikanische Thriller lieben.

Jilliane Hoffman
"Nemesis"
erschienen im Wunderlich - Verlag

Samstag, 23. März 2019

[Rezension] Hanna Caspian - Gut Greifenau - Morgenröte

Kurzbeschreibung:
"1918 ist der Frieden mit Russland in greifbarer Nähe. Doch nach einem Mordanschlag ist es fraglich, ob Konstantin, der Erbe, diesen noch erleben wird. Immerhin pflegt seine Geliebte, die Dorflehrerin Rebecca, ihn aufopferungsvoll. Sein Vater indes ist verzweifelt, denn durch den Kauf von Kriegsanleihen ist das Gut hoch verschuldet. So wird die Hochzeit von Konstantins Schwester Katharina mit dem brutalen Ludwig, einem Neffen des Kaisers, zur Überlebensfrage für Gut Greifenau. Doch Katharinas Herz schlägt für den Industriellensohn Sebastian. Kurz vor der Hochzeit flieht sie - und gerät in Berlin mitten in die Wirren der Novemberrevolution..."

Fazit:
"Morgenröte" ist der dritte und damit letzte Teil der "Gut Greifenau" - Trilogie von Hanna Caspian. Bei Trilogien empfiehlt es sich grundsätzlich, mit dem ersten Teil zu starten, da die Geschehnisse sich fortsetzen und aufeinander aufbauen.

Am Ende des zweiten Bandes möchte man als Leser selbstverständlich wissen, wie es weiter geht, gleichzeitig hat man aber eine Menge Befürchtungen, was noch alles geschehen könnte. Diese Befürchtungen hat man nicht zu unrecht, denn die Autorin hält für ihre Protagonisten so einiges bereit.

Wie auch in den anderen Büchern bettet sich die Geschichte der Familie von Auwitz-Aarhayn wunderbar in die historischen Ereignisse der damaligen Zeit ein. Die unterschiedlichen Charaktere verdeutlichen unterschiedliche Aspekte der Geschehnisse: so gerät Katharina auf ihrer Flucht mitten in die Novemberrevolution in Berlin und erlebt in Folge dessen das Leben der normalen Menschen, was sie noch nie kannte und schon gar nicht in so einer Ausnahmesituation. Oder das Grafenpaar, dass sich mit dem Niedergang ihres Standes nicht abfinden kann, aber sehr unterschiedlich damit umgeht.

Der Lesefluss ist sehr gut, Langeweile gibt es nicht, dafür hält Hanna Caspian zu viele Überraschungen bereit. Am Ende des Bandes nimmt man nur ungern Abschied von den Protagonisten, gerade, weil man weiß, dass "Morgenröte" die Trilogie beschließt.

Hanna Caspian
"Gut Greifenau - Morgenröte"
erschienen bei Droemer Knaur

Sonntag, 17. März 2019

[Rezension] George R. R. Martin - Feuer und Blut - Erstes Buch

Kurzbeschreibung:
"Drei Jahrhunderte, bevor die Serie "Das Lied von Eis und Feuer" beginnt, eroberte Aegon Targaryen mit seinen Schwestergemahlinnen und ihren drei Drachen den Kontinent Westeros.
280 Jahre währte die Herrschaft seiner Nachkommen. Sie überstanden Rebellion und Bürgerkrieg - bis Robert Baratheon den irren König Aerys II. vom Eisernen Thron stürzte. Dies ist die Geschichte des großen Hauses Targaryen, niedergeschrieben von Erzmaester Gyldayn, transkribiert von George R. R. Martin."

Fazit:
Ich bin jemand, der zum Lesen eines Buches den Schutzumschlag grundsätzlich abnimmt und so stieß ich schnell darauf, dass man diesen aufklappen kann und so einen detaillierten Stammbaum des Hauses Targaryen erhält. Optisch sehr schön gemacht, leistet er einem im weiteren Verlauf auch gute Dienste, um den Überblick zu behalten.

Was beim Überfliegen des Klappentextes schnell übersehen wird, was einem aber bewusst sein sollte, wenn man "Feuer und Blut" lesen möchte, ist, dass es sich um einen Bericht handelt. So ist die Geschichte auch in Berichtsform geschrieben, was erst einmal gewöhnungsbedürftig ist, ist man doch die normale Romanform gewohnt. Anfangs hatte ich Sorge, dass das Buch dadurch möglicherweise schnell langatmig wird, aber das war nicht der Fall.

Über 880 Seiten (und es handelt sich hier nur um den ersten Teil der Geschichte) liest man nicht mal eben nebenher. So hat mich die Geschichte des Hauses Targaryen tatsächlich diverse Wochen begleitet, zumal ich nach einigen Kapiteln stets innehalten musste, um die Flut an Informationen verinnerlichen zu können.

Das Buch beginnt mit der Ankunft der Targaryen in Westeros und endet mit dem Thronfolgekrieg. Das zweite Buch mit dem Rest der Targaryen-Geschichte ist in Vorbereitung.

Wenn man sich einmal an die Erzählform gewöhnt hat, bietet "Feuer und Blut" gewohnt spannende Unterhaltung und viel Information. Blieb bei "Das Lied von Eis und Feuer" einiges über das Haus Targaryen im Unklaren, stehen sie hier definitiv im Mittelpunkt.

Wer sich auf diese epische Reise begibt, sollte Interesse an den Hintergründen und den einzelnen Targaryens haben, dann wird er das Lesen aber auf keinen Fall bereuen.

George R. R. Martin
"Feuer und Blut - Buch 1"
erschienen bei Grrm by penhaligon

[Rezension] Emily Gunnis - Das Haus der Verlassenen

Kurzbeschreibung:
"Sussex, 1956. Als die junge Ivy Jenkins schwanger wird, schickt ihr liebloser Stiefvater sie fort - ins St. Margaret's Heim für ledige Mütter. Sie wird den düsteren, berüchtigten  Klosterbau nie mehr verlassen...
Sechzig Jahre später findet die Journalistin Sam in der Wohnung ihrer Großeltern einen flehentlichen Brief Ivys. Sie beginnt die schreckliche Geschichte von St. Margaret's zu recherchieren. Dabei stößt sie auf finstere Geheimnisse, die eine blutige Spur bis in die Gegenwart ziehen. Und die tief verstrickt sind mit ihrer eigenen Familiengeschichte."

Fazit:
Es scheint die Zeit der eindrücklichen Romane zu sein...denn einen bleibenden Eindruck hinterlassen die Schilderungen Ivys in jedem Fall.

Die Geschichte von Ivy, St. Margaret's und Sam wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Sam stößt durch Zufall auf einen Brief von Ivy, ihre journalistische Neugier ist geweckt und sie beginnt zu recherchieren.

Parallel erfahren wir aus Ivys Perspektive und aus den Briefen, die sie damals dem Vater des Kindes in der Hoffnung auf Rettung schickte, was ihr und vielen anderen Frauen im Heim für ledige Mütter angetan wurde. Es wäre schön, wenn man dieses Grauen ins Reich der Fiktion verbannen könnte, doch leider ist zwar dieses spezielle Heim ein fiktiver Ort, die Geschehnisse allerdings sind so und in unterschiedlichen Formen in diversen irischen und britischen Heimen tatsächlich passiert. Es steht zu befürchten, dass sich das nicht auf Großbritannien beschränkt.

Der Lesefluss ist sehr gut, denn selbstverständlich bangt und leidet man mit Ivy und möchte gleichzeitig mit Sam die Zusammenhänge des Ganzen verstehen. So kommt keine Langeweile auf, der Roman hält durchweg ein gewisses Spannungslevel.

Die Charaktere sind sehr bildhaft und lebensecht dargestellt, man sieht sie praktisch vor sich.

Ein wenig schade fand ich, dass einige Enthüllungen mit der Zeit schon auf der Hand lagen und dann wenig überraschend waren. Das tat der Sogwirkung des Buches aber überhaupt keinen Abbruch. Auch nach Beendigung des Buches kann man die Gedanken an Ivy und die anderen Frauen nur schwer abschütteln.

"Das Haus der Verlassenen" ist Emily Gunnis' Debütroman, sodass zu hoffen ist, dass wir noch viele weitere derart mitreißende Romane von ihr erwarten dürfen.

Emily Gunnis
"Das Haus der Verlassenen"
erschienen im Heyne Verlag

Sonntag, 10. März 2019

[Rezension] Linus Geschke - Tannenstein

Kurzbeschreibung:
"Wenn der Wanderer kommt, sterben Menschen. Elf in Tannenstein, einem abgelegenen Ort nahe der tschechischen Grenze. Ein Tankwart im Harz, eine Immobilienmaklerin aus dem Allgäu. Der Killer kommt aus dem Nichts, tötet ohne Vorwarnung und verschwindet spurlos.
Der Einzige, der sich ihm in den Weg stellt, ist Alexander Born, ein Ex-Polizist mit besten Kontakten zur Russenmafia. Einst hatte der Wanderer seine Geliebte getötet, jetzt will Born Rache - und wird Teil einer Hetzjagd, die dort endet, wo alles begann: Tannenstein."

Fazit:
Man kennt Linus Geschke als Autor der Krimi-Reihe um Jan Römer und Mütze. "Tannenstein" hingegen ist etwas ganz anderes. Auf dem Cover steht nicht "Kriminalroman", sondern "Thriller", man rechnet also mit einer härteren Gangart. Aber "Tannenstein" ist für mich auch nicht ein beliebiger Thriller, sondern eher ein moderner Western.

Der Autor hat gesagt, er habe ein Buch schreiben wollen, in dem keiner so wirklich gut ist. Ob das bei "Tannenstein" der Fall ist, ist Interpretationssache, wie so vieles in dem Buch. Ist jemand, der das Falsche aus den richtigen Gründen tut, wirklich böse, bzw. "nicht wirklich gut"? Das muss der Leser von Fall zu Fall selbst entscheiden.
Klar ist, dass es in dem Buch einige gibt, die abgrundtief böse sind...was auch schonungslos und plastisch transportiert wird...

Die Russenmafia ist natürlich jedem ein Begriff, aber im Alltagsleben weit weg und abstrakt. In "Tannenstein" ist sie und ihre Machenschaften allgegenwärtig. Allerdings belässt Linus Geschke es nicht bei dem gefühlsmäßigen Sicherheitsabstand, den man als Leser normalerweise bei solchen Dingen hat: ganz perfide lässt er sich jemanden in unsere Sympathie schleichen, sodass der Abstand verloren geht und dann....

Die typische Thrillerspannung fehlte für mich in weiten Teilen von "Tannenstein", daher mein Gefühl des modernen Western. Aber fesselnd ist das Buch auf jeden Fall und das sowohl von der Handlung, als auch von den Protagonisten und natürlich erst recht von all dem, was unter der Oberfläche lauert und erst nach und nach ins Bewusstsein des Lesers gelassen wird. Denn natürlich ist kaum etwas so, wie es anfangs schien...

Muss ich noch darauf hinweisen, dass ich "Tannenstein" selbstverständlich nur empfehlen kann, vorausgesetzt, man hat die Nerven dafür?

Linus Geschke
"Tannenstein"
erschienen im dtv Verlag

[Rezension] Felicity Whitmore - Das Herrenhaus im Moor

Kurzbeschreibung:
"Laura Milton ist überzeugt: Ihr Mann Frank wurde ermordet - doch niemand will ihr glauben. Da fällt ihr ein anonymer Brief an Frank in die Hände: Sein Leben sei in höchster Gefahr, er solle fliehen, steht darin. Im englischen Exmoor, Franks Heimat, sucht Laura nach Antworten. Und sie stößt in einem alten, verfallenen Herrenhaus auf die erschütternde Geschichte der Lady Victoria Milton..."

Fazit:
Oft bemängele ich, dass Klappentexte zuviel von der Handlung vorwegnehmen. Deshalb möchte ich ausdrücklich auf das Gegenbeispiel verweisen: Der Klappentext von "Das Herrenhaus im Moor" zeigt nur die Spitze des Eisberges und selbst diese ist ausreichend, um das Buch lesen zu wollen. Er verspricht Verwicklungen, Spannung, Gefahr und Menschenschicksale.

Was sich dann im Verlauf der Handlung noch alles zeigen wird, darauf wäre man anfangs nie gekommen...

"Das Herrenhaus im Moor" wird auf zwei unterschiedlichen Zeitebenen erzählt: zum einen in der Gegenwart, wo Laura sich mit dem plötzlichen Unfalltod ihres Mannes konfrontiert sieht und ihr niemand glaubt, dass dieser ermordet wurde, woraufhin sie sich selbst ins Exmoor begibt, um die Wahrheit zu ergründen. Zum anderen gegen Ende des 19. bzw. am Anfang des 20. Jahrhunderts, wo Lady Victoria Milton erfahren muss, zu was Menschen fähig sind.

Ich hatte mir von Felicity Whitmores Roman eine unterhaltsame Zeit versprochen und war überhaupt nicht gefasst auf die Spannung, die besonders im Erzählstrang um Lady Victoria dominiert und auch nicht auf das Entsetzen, dass einen unweigerlich überfällt, wenn einem wieder einmal vor Augen geführt wird, was Menschen für Geld alles zu tun bereit sind.

"Das Herrenhaus im Moor" ist nichts für sensible Seelen, aber ein absolut spannungsgeladener, unterhaltsamer, interessanter und lesenswerter Roman!

Felicity Whitmore
"Das Herrenhaus im Moor"
erschienen im dtv Verlag

Samstag, 9. März 2019

[Rezension] Susanne Kliem - Lügenmeer

Kurzbeschreibung:
"Sie sind das Traumpaar der Clique: der smarte Magnus und die umschwärmte Milla. Und Svenja, die beste Freundin von beiden, ist die Dritte im Bunde. Doch dann kommt Milla bei einer nächtlichen Schwimmbad-Party ums Leben und Magnus wird als vermeintlich Schuldiger aus dem Ort vertrieben.
Viele Jahre später kehrt er zurück, um das Gespinst von Lügen zu entwirren, das über der Todesnacht liegt. Niemand will ihm helfen. Doch Magnus sucht besessen nach der Wahrheit - mit fatalen Folgen für alle..."

Fazit:
Nachdem mir "Das Scherbenhaus" von Susanne Kliem sehr gut gefallen hatte, war ich gespannt auf ihr neues Werk.
Gleich einen Pluspunkt hat das Buch bei mir für den Handlungsort bekommen. Eine Kleinstadt direkt an der Ostsee - genau meins.

Allerdings hätte es dieses Pluspunktes gar nicht bedurft, denn Handlung und Protagonisten können ganz allein für sich einstehen.

Die Charaktere sind sehr unterschiedlich und sehr lebensecht. Sie könnten tatsächlich in jeder beliebigen Kleinstadt Tür an Tür wohnen. Auch die Atmosphäre passt sehr gut dazu: das Gedächtnis der Stadt vergisst nichts und breitet über manches den Mantel des Schweigens. Was dann noch zusätzlich an Geheimnissen unter der Oberfläche lauert ist mitunter nichts für schwache Nerven.

Schon allein Atmosphäre, Handlungsort, Personen und die unterschiedlichen Beziehungen der Charaktere zueinander, über Jahrzehnte gesponnen, hätte gereicht, um aus "Lügenmeer" ein spannendes Buch zu machen.
Aber Magnus hat eine Mission: er möchte wissen, was in dieser Nacht tatsächlich geschah und so schabt er Schicht für Schicht ab, um die Wahrheit aufzudecken. Dabei kommen noch viele andere Dinge ans Licht und als Leser ist man mittendrin!

"Lügenmeer" bietet alles, was das Leserherz begehrt: eine spannende, gut konstruierte Handlung, die nicht bis hinter die nächste Kurve blicken lässt, sympathische und weniger sympathische Protagonisten und Verflechtungen, wie sie tatsächlich der Realität entstammen könnten. Mich hat "Lügenmeer" absolut begeistert und ich kann es nur empfehlen!

Susanne Kliem
"Lügenmeer"
erschienen bei C. Bertelsmann