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Sonntag, 31. Mai 2015

[Rezension] Jessie Burton - Die Magie der kleinen Dinge

Kurzbeschreibung:
"Die junge Nella wird mit dem Amsterdamer Handelsmann Johannes Brandt verheiratet. Als sie sein herrschaftliches Haus an der Herengracht zum ersten Mal betritt, schlägt ihr kalte Abneigung vonseiten ihrer neuen Familie entgegen. Nur das Hochzeitsgeschenk spendet ihr Trost: ein Puppenhaus, das eine exakte Nachbildung ihres neuen Zuhauses ist. Doch bald werden Nella mysteriöse kleine Nachbildungen ihrer neuen Familienmitglieder geschickt - und Hinweise auf das, was diese verbergen. Nella beginnt zu ahnen, dass sich hinter der perfekten Fassade der Brandts tiefe Abgründe verbergen - sowie dunkle Geheimnisse, die sie alle in ihren Sog ziehen werden..."

Fazit:
Die Kurzbeschreibung in Verbindung mit dem auffallenden Cover hatten mich angesprochen - klang "Die Magie der kleinen Dinge" doch noch einer durchaus interessanten Lektüre mit zu entdeckenden Verwicklungen und Geheimnissen.

Die hat die Handlung tatsächlich zu bieten - allerdings erst nach mehr als 300 Seiten...
Der Anfang der Geschichte ist recht einnehmend, man lernt Nella kennen und fühlt mit ihr und ihrer Nervosität, in ein Haus in einer Stadt zu ziehen, wo sie noch nie war und niemanden kennt. Abgesehen von Nella bleiben aber alle Charaktere mehr oder weniger eindimensional und auch die Handlung lässt sich vorerst kaum als solche bezeichnen. Es gibt nur Andeutungen, die beispielsweise Nellas Schwägerin gern von sich gibt und die ohne Zusammenhang zu sein scheinen und sich dem Leser ebenso wenig wie Nella erschließen. Die fragt aber nicht weiter nach, sondern lässt alles mehr und mehr auf sich zukommen.

Auch die Angelegenheit mit den Miniaturen birgt eine Menge Potential in sich, das meines Erachtens von der Autorin nicht genutzt wurde, da sich eben keine Andeutungen auf die Geheimnisse der Protagonisten offenbaren, sondern sich erst im Nachhinein einstellen - auch eine Auflösung über das Wissen der Miniaturistin habe ich vermisst.

Die letzten 150 Seiten des Buches liefern dann endlich das, was man sich von vornherein erwartet hat: eine unterhaltsame, spannende Handlung, die Entwicklung und Aufdeckung von Geheimnissen, die nun auch die weiteren Personen vielschichtiger werden lassen - allerdings konnte mich das dann für die dahin plätscherden ersten zwei Drittel des Buches nicht entschädigen.

Jessie Burton
"Die Magie der kleinen Dinge"
ISBN: 978-3-8090-2647-1
erschienen im Limes Verlag

Samstag, 30. Mai 2015

[Rezension] Sandra Florean - Gefährliche Sehnsucht (ebook)

Kurzbeschreibung:
"Nachdem sich Louisa und Dorian ihrer Tochter Zoe zuliebe mit ihren Mitstreitern Eric, Jayden und Michael zu einem Clan zusammengeschlossen haben, leben sie fernab ihrer Heimat unerkannt unter den Sterblichen. Unerklärliche Todesfälle erregen die Aufmerksamkeit der Polizei. Bei den Opfern handelt es sich um bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Vampire, und die Fitzgeralds geraten ins Visier von Vampirjägern. Ausgerechnet der eiskalte Jayden verliebt sich Hals über Kopf in eine von ihnen und bringt damit die ganze Gemeinschaft in Gefahr. Nicht nur von den Vampirjägern geht Gefahr aus. Auch Erics Bessenheit von Louisa nimmt unheilvolle Formen an. Und was führt der Vampirclubbesitzer Vincenzo im Schilde? Welches Interesse hat er an Louisa? Warum hat er Dorian nicht vor den Vampirjägern gewarnt?"

Fazit:
Ich bin eigentlich kein großer Fan von Vampirgeschichten. Abgesehen von den Black Dagger - Jungs hat es bisher erst recht keine ganze Reihe geschafft, mich nachhaltig in ihren Bann zu ziehen. Und auch, wenn Sandra Floreans "Nachtahn"-Reihe etwas ganz anderes ist als die Bruderschaft der Black Dagger, übt sie eine ähnliche Faszination auf mich aus.
Wer hätte am Anfang des ersten Teils gedacht, dass die Geschichte um Dorian und Louisa solch einen Verlauf nehmen wird? Ich ganz sicher nicht!

"Gefährliche Sehnsucht" ist bereits der dritte Teil der "Nachtahn"-Reihe von Sandra Florean und nachdem im ersten Teil Dorians und Louisas Liebesgeschichte im Vordergrund stand und es im zweiten Teil vor allem um Probleme mit anderen Vampiren ging, leben Louisa und Dorian nun eigentlich ein ruhiges Leben, abgeschieden in Italiens warmer Sonne, unerkannt unter Sterblichen. Gerade Louisa ist ein Leben mit Sterblichen wichtig, vor allem Zoe zuliebe - denn ein Menschenkind braucht natürlich andere Menschen. Dass dies unweigerlich Probleme mit sich bringt, muss Louisa aber auch einsehen.

Aber auch in der Vampirwelt ist einiges im Gange - ein seltsamer Vampirclub besteht in der Nähe, Vampirjäger machen sich auf, den Vampiren den Garaus zu machen - langweilig wird es nie!
Darüber hinaus macht der ein oder andere Charakter eine Entwicklung durch, die man nicht erwartet hätte, die eine weitere Dimension des Protagonisten zeigt und dem Leser dadurch nur noch mehr ans Herz wächst - wer hätte gedacht, dass die Liebe einmal Einzug im Leben von Jayden halten würde? Dass diese dann alles andere als einfach verläuft, liegt hingegen auf der Hand.... Aber auch unser Casanova Michael entdeckt, dass er für eine Person deutlich mehr Gefühl entwickeln kann, als für alle anderen Frauen.

Wie gewohnt, besticht die Autorin durch sehr menschliche Charaktere - auch wenn dies in einer Vampirwelt widersprüchlich klingen mag - sehr bildhafte Beschreibungen und eine Handlung, die mehr als eine Überraschung bereit hält - allerdings sollte man nicht zu zart besaitet sein, denn wenn es in der Vampirwelt hart auf hart kommt, fließt schonmal einiges an Blut.

"Gefährliche Sehnsucht" lässt mich mit dem Gefühl zurück, wieder etwas neues über die Protagonisten erfahren zu haben, aber auch mit der Ungeduld auf den nächsten Band, der hoffentlich in nicht allzu ferner Zukunft erscheint.

Sandra Florean
"Gefährlich Sehnsucht"
erschienen bei Bookshouse

Samstag, 23. Mai 2015

[Rezension] E. M. Tippets - Nicht mein Märchen (ebook)

Kurzbeschreibung:
"Stellt euch vor, Robert Pattinson taucht an eurer Haustür auf und will euch mit Eiscreme füttern, aber ihr hattet nie Interesse daran, die Twilight-Filme zu sehen. Eure Mitbewohnerin und jede andere Frau in der Nachbarschaft werden fast ohnmächtig, aber irgendwie fühlt ihr euch zu dem Typen einfach nicht hingezogen.

So ähnlich ergeht es auch Chloe Winters. Gezeichnet von einer schweren Kindheit war sie gezwungen ihr Leben sehr pragmatisch anzugehen, sie schlägt sich als Studentin in Albuquerque durch und gehört nicht zu den Leuten, die an Märchen glauben.

Eines Tages aber kommt Hollywood-Superstar Jason Vanderholt zurück in seine Heimatstadt Albuquerque um dort einen Film zu drehen. Er entschließt sich, bei den Statisten vorbeizuschauen, zu denen auch Chloe gehört. Die sieht in dem Schauspieler, der bei jeder anderen Frau die Knie weich werden lässt, aber nicht gerade ihren Traummann. Sie nimmt nur einen Typen mit einem seltsamen Job und eigener Entourage wahr, der sie zweifellos in fünf Minuten wieder vergessen haben wird.

Aber Jason sieht in ihr mehr als nur ein weiteres hübsches Gesicht. Chloe kommt ihm bekannt vor und er hat eine Menge Fragen an sie, die sie lieber nicht beantworten möchte. Diese ganze Geschichte ist einfach nicht ihr Märchen."

Fazit:
Eines möchte ich direkt vorweg sagen: Ein Buch mit solch einem Cover hätte ich sicher nicht von allein in die Hand genommen, geschweige denn gelesen - wäre es mir nicht empfohlen worden. Wirkt das Cover schon ohne Kenntniss des Buches nichtssagend und oberflächlich, weiß man nach dem Lesen, dass es auch rein gar nichts mit der Handlung oder gar Chloe, unserer Hauptprotagonistin, zu tun hat.

Denn Chloe ist ganz sicher nicht oberflächlich: bodenständig, ehrgeizig, mit einer traumatischen Kindheit und einem Hang zum Sarkasmus, sorgt schon allein ihr Charakter dafür, dass der Handlung nichts Seichtes anhaftet.

Natürlich spielen auch Gefühle und Liebe eine wichtige Rolle in diesem Roman, der darüber hinaus genau die richtige Dosis Drama und Kitsch beinhaltet, dass die Geschichte um Chloe den Leser mitnimmt und man das Buch nicht beiseite legen mag.

Auch ernstere Themen, wie Chloes traumatische Erfahrungen oder die bewusste Entscheidung Jugendlicher und junger Erwachsener, bis zur Ehe unberührt zu bleiben, sind Bestandteil der Handlung.

"Nicht mein Märchen" ist ein Roman, der viel Unterhaltung bietet, aber ebenso auch Witz, Schmerz und Gefühle und durch seine bodenständigen Charaktere besticht.

Ich bin gespannt, ob die Fortsetzung "Prinzessin in Nöten" mich ebenso begeistern kann.

E. M. Tippets
"Nicht mein Märchen"
erhältlich als ebook und Printausgabe über Amazon

[Rezension] Carol O'Connell - Ein Ort zum Sterben

Kurzbeschreibung:
"Kathleen Mallory hat das Herz einer Hackerin, die Seele einer Dichterin und das gesunde Misstrauen einer Streunerin - und sie ist eine hochqualifizierte Computerspezialistin bei der New Yorker Polizei. Als ihr Adoptivvater Opfer eines Serienmörders wird, setzt sie alles daran, den Täter zu fassen..."

Fazit:
"Ein Ort zum Sterben" erschien unter dem Titel "Mallorys Orakel" bereits Mitte der 90er Jahre und wurde vor einigen Jahren neu aufgelegt. Es ist der Beginn einer Reihe um die Computerspezialistin Kathleen Mallory.

Dass die Handlung des Buches bereits einige Jahre zurückliegt, kommt dem Leser ab und an wieder ins Gedächtnis, wenn zu Recherchezwecken Videobänder und Dias zum Einsatz kommen - ansonsten ist an der Handlung aber absolut nichts antiquiertes.

Mit Kathleen Mallory hat Carol O'Connell definitiv einen ganz eigenen Charakter geschaffen: Die ersten zehn Jahre ihres Lebens verbrachte sie als Straßenkind mit Diebstahl und dem harten Kampf zu Überleben. Dann wurde sie von einem Polizeibeamten aufgegriffen und letztendlich von ihm und seiner Frau aufgenommen und adoptiert - das Straßenkind in der jüdischen Bürgerfamilie. Aufgrund dieses Hintergrundes ist sie bzw. sind ihre Handlungsweisen, Denkmuster und vor allem Moralvorstellungen ein Flickenteppich unterschiedlichster Herkunft, die Mallory sowohl interessant als auch sehr sympathisch machen.

Auch die anderen Charaktere des Buches sind sehr bildhaft gestaltet, mit Wiedererkennungswert und Ecken und Kanten.

Die Handlung erinnert an ein Puzzle, bei dem der Leser mit Mallory zusammen immer nur einzelne Puzzleteile kennt, die sich einfach zu keinem passenden Bild zusammensetzen lassen - erst als es fast zu spät ist, ergibt sich ein Muster - welches mich ehrlich gesagt überrascht hat, denn im meinem Kopf hatte ich einiges anders "gepuzzelt".

"Ein Ort zum Sterben" ist der Auftakt zu einer sicher auch weiter interessanten, spannenden Reihe mit einer sehr charakterstarken Ermittlerin!

Carol O'Connell
"Ein Ort zum Sterben"
ISBN: 978-3-442-75258-4
erschienen bei btb

Donnerstag, 14. Mai 2015

[Rezension] Tess Gerritsen - Der Schneeleopard

Kurzbeschreibung:
"Die Polizei von Boston ermittelt in einem bizarren Mordfall. Die Leiche eines Jägers und Tierpräparators wurde gefunden - ausgeweidet und aufgehängt wie eines seiner Beutetiere. In den Wäldern werden Knochenreste eines weiteren Opfers entdeckt. Doch Boston ist nicht das einzige Jagdrevier des Killers. Es scheint eine Verbindung zu einem fünf Jahre zurückliegenden Vorfall in Afrika zu geben, wo die Teilnehmer einer Safari auf ungeklärte Weise verschwanden. Jane Rizzoli reist nach Botswana, um dem heimtückischen Mörder auf die Spur zu kommen..."

Fazit:
"Der Schneeleopard" ist mittlerweile der elfte Teil von Tess Gerritsens Reihe um Jane Rizzoli und Maura Isles.

Die Handlung wird in weiten Teilen durch zwei Handlungsstränge erzählt - zum einen der gegenwärtige mit Rizzolis Ermittlungen in Boston und zum anderen Milis Erfahrungen während der Safari in Botswana. Da dieser Erzählstrang in der Ich-Form gehalten ist, fühlt sich der Leser stets als Milis Schatten und erlebt alles "live" mit.

Dass die Autorin zur Recherche selbst in Afrika war, hätte sie nicht einmal im Nachwort erwähnen müssen, denn dies erfährt der Leser hautnah: die Beschreibungen der Landschaft, des Geruchs, der Windbewegungen - all dies kann niemand so bildhaft erstehen lassen, der es nicht mit eigenen Augen gesehen hat.

Sehr interessant finde ich auch die Fakten in Bezug auf das Jagdverhalten unterschiedlicher Raubkatzen, die im Verlauf des Buches vermittelt werden.

Wer diese Reihe von Anfang an verfolgt hat, wird sich auch in "Der Schneeleopard" direkt wieder mittendrin fühlen - aber das Buch lässt sich natürlich auch ohne Kenntniss der Vorgänger lesen, man wird sich nur nicht so familiär mit Rizzoli und Isles fühlen wie Leser, die die beiden und ihre unterschiedlichen Entwicklungen Stück für Stück mitverfolgt haben.

Wie man es von Tess Gerritsen erwartet, ist der Plot spannend gestaltet, der Leser rätselt mit, vermutet - aber die Autorin überrascht mit Wendungen, die man nicht erwarten konnte. In weiten Teilen hatte ich die Befürchtung, des Rätsels Lösung zu kennen und ich bin der Autorin sehr dankbar, dass sie mich am Schluß eines besseren belehrt hat, denn sonst hätte mir dies doch einen Großteil des Lesevergnügens genommen.

"Der Schneeleopard" ist ein Rizzoli-und-Isles-Thriller, der diesen Namen absolut verdient!

Tess Gerritsen
"Der Schneeleopard"
ISBN: 978-3-8090-2637-2
erschienen bei Limes

Samstag, 9. Mai 2015

[Rezension] Ursula Poznanski - Stimmen

Kurzbeschreibung:
"Menschen, die wirr vor sich hin murmeln. Die sich entblößen, Stimmen hören: Die Psychiatriestation des Klinikums Salzburg-Nord ist auf besonders schwere Fälle spezialisiert. Als einer der Ärzte ermordet in einem Untersuchungsraum gefunden wird, muss die Ermittlerin Beatrice Kaspary versuchen, Informationen aus den Patienten herauszulocken. Aus traumatisierten Seelen, die in ihrer eigenen Welt leben. Und nach eigenen Regeln spielen..."

Fazit:
"Stimmen" ist bereits der dritte Teil des Ermittlerduos Beatrice Kaspary und Florin Wenninger. Auch wenn Bea die eigentliche Hauptperson ist, galt meine persönliche Sympathie doch vom ersten Teil an auch Florin und ich habe mir immer gewünscht, dass ihm mehr Raum in der Handlung gegeben wird - schon das hat mir bei "Stimmen" gut gefallen, denn Florin tritt deutlich mehr aus dem Hintergrund heraus als bisher.

"Blinde Vögel", der zweite Teil der Reihe hat mich nicht ganz begeistern können, so hatte ich in Bezug auf "Stimmen" doch die Hoffnung, dass das Buch von der Umsetzung her mehr an "Fünf" anschließt - und in dieser Hinsicht wurde ich nicht enttäuscht.

Eine Psychiatriestation gibt für einen Thriller natürlich automatisch einen Schauplatz mit viel Potential her, aber man muss es auch nutzen und das hat Ursula Poznanski getan. Sowohl Ärzte, als auch Pflegepersonal und Patienten sind sehr plastisch gezeichnet, sodass man sie sich nicht nur vorstellen kann, sondern den Eindruck bekommt, sie zu kennen. Auch die Vermittlung der unterschiedlichen Krankheitsbilder, die Ursprünge und Folgen, gelingt der Autorin scheinbar mühelos.

Der Plot ist durchgehend interessant gestaltet, wenn auch manche Beschreibung nichts für zarte Gemüter ist, aber Thrillerfans kommen auf ihre Kosten. Gegen Ende steigt die Spannung dann auf den Höhepunkt, sodass man das Ende kaum erwarten kann.
Mit der Auflösung der ganzen Geschichte hat Ursula Poznanski mich dann überrascht und genau das mag ich besonders bei Thrillern - ich möchte nicht vorher glaskar wissen, was wozu geführt hat und schon gar nicht, wer der Täter ist - natürlich hat man als Leser so seinen Verdacht, aber auf diesen Hergang wäre ich allein nicht gekommen.

"Stimmen" ist ein Thriller, der neben Spannung und Rätseln auch einen sehr bewegenden Einblick in psychiatrische Krankheitsbilder und die Folgen, die die Betroffenen zu tragen haben, gibt.

Ursula Poznanski
"Stimmen"
ISBN: 978-3-8052-5062-7
erschienen im Wunderlich Verlag

Freitag, 8. Mai 2015

[Rezension] Tom Finnek - Vor dem Abgrund

Kurzbeschreibung:
"Im Herbst 1888 kommen zwei junge Menschen ins East End, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die verarmte Celia Brooks versucht verzweifelt, ihren Vater zu finden. Der Hotelierssohn Rupert Ingram will hingegen seine Pflichten im sündigen Treiben vergessen. Doch im East End hat alles seinen Preis, Antworten ebenso wie das Vergessen. Und während die Huren ihre Dienste feilbieten und ein Mörder namens Jack the Ripper in den Schatten lauert, stoßen Celia und Rupert auf Geheimnisse, die ihre Leben für immer verändern..."

Fazit:
London im ausgehenden 19. Jahrhundert - mitten in den Elendsvierteln des East End: Whitechapel, Spitalfields - eine Szenerie, die mir aus Anne Perrys Inspektor Pitt - Fällen bestens vertraut ist. Und so detailgenau und -getreu, wie ich es von Frau Perry kenne, lässt auch Tom Finnek diese Welt auferstehen. Man sieht den Dreck, riecht den Gestank und erlebt die Verzweiflung, Agression und Resignation der Bevölkerung mit  - man erlebt aber auch, dass sich nicht alle unterkriegen lassen, dass manche dennoch ihrem Weg, ihrer Bestimmung und ihren Träumen folgen.

Tom Finnek hat ein Händchen für Charaktere - und die, die ihr meinen Blog schon länger kennt, wisst, dass mir gut charakterisierte Protagonisten sehr wichtig sind. Diese bietet "Vor dem Abgrund" in einer Vielzahl. Nicht nur die Hauptfiguren Celia und Rupert, auch Nebencharaktere sind so bildhaft und realistisch gezeichnet, dass sie und ihre Welt Kopfkino total bieten.

Sehr interessant war für mich die Einbettung der Heilsarmee in dieses Buch. Bisher war die Heilsarmee für mich nur ein diffuser Begriff - in diesem Buch lernt man sie näher kennen, wofür sie stehen und wie sie ihren ganz persönlichen Krieg gegen die Übel der Gesellschaft führen.

Ebenfalls sehr positiv aufgefallen ist mir, wie Tom Finnek die fiktive Handlung mit geschichtlichen Begebenheiten und realen Personen verknüpft - dadurch fühlt sich der Leser tatsächlich in die Geschichte versetzt.

Gefehlt hat mir einzig ein wenig Esprit oder Charisma, gerade Rupert wäre dafür prädestiniert gewesen, aber er wirkte immer ein wenig stoffelig - das ist aber auch schon mein einziger Kritikpunkt.

Tom Finnek
"Vor dem Abgrund"
ISBN: 978-3-404-17192-7
erschienen bei Bastei Lübbe