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Freitag, 4. September 2020

[Rezension] Delia Owens - Der Gesang der Flusskrebse

 

Kurzbeschreibung:

"Chase Andrews stirbt, und die Bewohner der ruhigen Küstenstadt Barkley Cove sind sich einig: Schuld ist das Marschmädchen. Kya Clark lebt isoliert im Marschland mit seinen Salzwiesen und Sandbänken. Sie kennt jeden Stein und Seevogel, jede Muschel und Pflanze. 

Als zwei junge Männer auf die wilde Schöne aufmerksam werden, öffnet Kya sich einem neuen Leben - mit dramatischen Folgen."


Fazit:

"Der Gesang der Flusskrebse" ist das Debut der amerikanischen Autorin Delia Owens, die den Großteil ihres Lebens als Zoologin mit dem Erforschen der Tiere auf dem afrikanischen Kontinent verbracht hat.

Umso erstaunlicher, dass das Buch nicht dort, sondern in den Marschlanden Georgias spielt. Dass diese Gegend für Delia Owens aber eine tiefe Bedeutung hat, wird nach dem Lesen des Buches wohl niemand bestreiten.


"Der Gesang der Flusskrebse" und ich wären uns zufällig wohl nicht näher gekommen. Mit der Zeit habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Spiegel-Bestsellerliste und ich oft einen unterschiedlichen Büchergeschmack haben. Da mir das Buch aber sehr empfohlen wurde, habe ich den Aufkleber auf dem Buchumschlag ignoriert und mich aufgemacht in Kyas Welt.

Dass Klappentexte oft nicht in der Lage sind, das Herz des Buches zu vermitteln oder oft auch nur die Handlung korrekt zu skizzieren, ist keine Seltenheit. Dass dieser hier im Vergleich zum Buch nahezu belanglos klingt, kann man aber wohl nicht dem Verlag, sondern nur der Autorin ankreiden. Denn es ist definitiv nicht möglich, die Fülle an Handlung, Menschen, Flora, Fauna, Gefühl und Farbe auch nur ansatzweise in einige wenige Sätze zu packen - aber beginnen wir am Anfang:

Delia Owens erzählt Kyas Geschichte in zwei Handlungssträngen: Beginnend 1952 mit dem Weggang der Mutter als Kya gerade sechs Jahre alt ist, begleitet der Leser Kya bis ins Erwachsenenalter. Kya ist die Marsch und die Marsch ist Kya, eine symbiotische Zweckgemeinschaft möchte man fast sagen, denn Kya muss in ganz jungen Jahren lernen, allein zu überleben. Nachdem die Mutter die Familie verlassen hat, geht auch ihr einziger Bruder, der außer ihr noch zu Hause lebte, um der Schreckensherrschaft des gewalttätigen Vaters zu entgehen. Nur wenige Jahre später taucht auch dieser nicht mehr auf...

Delia Owens gelingt der Spagat, raumgreifende Emotionen wie Einsamkeit, Isolation und den Hunger nach zwischenmenschlicher Nähe, ebenso wie die Angst vor genau dieser, zu transportieren, ohne dass auch nur ein Hauch Kitsch oder Pathos mitschwingt. Dennoch mag ich ihren Schreibstil nicht als nüchtern bezeichnen, denn Empathie ist ein wichtiger Bestandteil des Ganzen.

Von den Menschen des nahen Küstenstädtchens als "Marschmädchen" und "Sumpfgesindel" abgeurteilt, gibt es nur einige wenige, denen sie am Herzen liegt und die sie an sich heranlässt - aber Kya wird ihren Weg gehen, mehr mag ich nicht verraten.

Der zweite Handlungsstrang, eingestreut zwischen die einzelnen Kapitel, spielt 1969 und geht gegen Ende im ersten auf: Chase Andrews, der große blonde ehemalige Quarterback, respektierter Sohn der Gemeinde und strahlendes Idol so vieler, wird tot im Sumpf aufgefunden. Es ist bekannt, dass er eine Zeitlang eine Beziehung mit Kya hatte und so macht sich der Sheriff auf, der Gerechtigkeit genüge zu tun...

"Der Gesang der Flusskrebse" ist Roman und Kriminalgeschichte, zeigt deutlich die Gesellschaft der Gegend zur damaligen Zeit, demonstriert eine Naturverbundenheit und eine Vielfalt des Marschlandes, die man dort wahrscheinlich nicht vermutet hätte und geht durch den Charakter der Kya, die einem von ganz allein unter die Haut kriecht, dem Leser so ans Herz, dass man Tates Beschützerinstinkt ihr gegenüber mehr als nachvollziehen kann.

Delia Owens hat mit "Der Gesang der Flusskrebse" ein wunderbares Debut vorgelegt und ich hoffe inständig, in Zukunft weiter von ihr zu lesen.


Delia Owens

"Der Gesang der Flusskrebse"

erschienen bei hanserblau

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