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Donnerstag, 14. November 2019

[Rezension] Michaela Küpper - Der Kinderzug

Kurzbeschreibung:
"Das Ruhrgebiet im Sommer 1943. Die junge Lehrerin Barbara soll eine Gruppe Mädchen im Rahmen der sogenannten Kinderlandverschickung begleiten. Angst, aber auch gespannte Unruhe beherrschen die Gedanken der Kinder, die nicht wissen, was sie erwartet. Das Heim auf der Insel Usedom, das ihr zeitweiliges Zuhause werden soll, erweist sich zunächst als angenehme Überraschung, doch dann muss dieses geräumt werden. Es beginnt eine Odyssee, die nicht nur die Kinder, sondern auch Barbara an ihre Grenzen führt, denn mehr und mehr wird sie, die sich bisher aus der Politik herauszuhalten versucht hat, mit der Realität und den grausamen Methoden der Nationalsozialisten konfrontiert. Als schließlich ein Mädel verschwindet und ein polnischer Zwangsarbeiter verdächtigt wird, kommt für die Lehrerin die Stunde der Entscheidung."

Fazit:
Natürlich war mir der Begriff "Kinderlandverschickung" geläufig, aber ein Buch, bei dem sie im Vordergrund stand, hatte ich bisher nicht gelesen.

In "Der Kinderzug" beschreibt Michaela Küpper in schnörkelloser Schreibweise, was, stellvertretend für viele solcher Kindergruppen, dieser alles widerfährt, aber auch, wie unterschiedlich die Dinge verkraftet und wahrgenommen werden.

Der Leser darf an verschiedenen Perspektiven teilhaben und so einen umfassenden Eindruck erhalten. Anfangs ein Abenteuer und eine willkommene Abwechslung vom Alltag mit ständigem Fliegeralarm, starten die Kinder in ein neues Leben, das offiziell nur drei Monate dauern soll. Doch alles kommt anders....

Die Autorin beschreibt hier nicht nur die Odyssee der verschickten Kinder samt ihrer Lehrerin, sondern gibt Einblick in viele Bereiche: wie selbstverständlich Krieg, HJ und BDM sind - kennen die Kinder es doch nicht anders; wie die Desillusionierung der jungen Lehrerin mit der Zeit immer mehr zunimmt, bis sie feststellen muss, dass sie kurz vor Ende des Krieges von der Regierung praktisch vergessen und vollkommen auf sich gestellt wurde; wie aus verschickten Jungs mit HJ-Drill doch noch traumatisiertes Kanonenfutter wird, welche Behandlung Behinderte im Dritten Reich erwartete...

Der nüchterne Schreibstil der Autorin ist vonnöten, um die vielen Eindrücke und Schrecknisse überhaupt verarbeiten zu können, wobei man nüchtern oder schnörkellos keinesfalls mit gefühllos verwechseln sollte.

In "Der Kinderzug" von Michaela Küpper erhält der Leser mehr als nur den Ausflug der Kinderlandverschickung, sondern einen Schnitt quer durch die Gesellschaft der damaligen Zeit und in viele unterschiedliche Biografien - sehr eindrucksvoll!

Michaela Küpper
"Der Kinderzug"
erschienen bei Dromer Knaur

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