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Samstag, 23. November 2013

Adventsgewinnspiel 2013 - Tag 5

Heute, am bereits 5. Tag des Adventsgewinnspiels, könnt ihr ein Buch gewinnen, das auch noch auf meiner Wunschliste steht:

"Und nie sollst du vergessen sein" von Jörg Böhm! 

Kurzbeschreibung: 
Für einen Kurzurlaub kehrt Hauptkommissarin Emma Hansen nach Nöggenschwiel zurück. Doch mit der Erholung ist es schnell vorbei, als ein grausamer Mord das Rosendorf im Südschwarzwald erschüttert. Ein alter Bauer wird erschlagen im nahe gelegenen Stausee gefunden. Als wenig später auch noch die Verkäuferin des Dorfladens erdrosselt wird, gehen Polizei und Presse längst von einem Serientäter aus. Aber welchen Zusammenhang gibt es zwischen den Opfern und was haben die Morde mit dem Verschwinden von Emmas Freundin Charlotte vor 15 Jahren zu tun? Als Emma mit eigenen Nachforschungen beginnt, stößt sie auf ein dunkles Geheimnis und erkennt zu spät, dass man die Vergangenheit besser ruhen lassen sollte … 
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Jörg Böhm 
Leseprobe aus dem Buch "Und nie sollst du vergessen sein" 
Genre: Krimi 
Das Buch ist erhältlich bei Amazon.de als Taschenbuch & kindle edition 
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Leseprobe 
Prolog 
Juli 1997 
Endlich hatte sie ihr Ziel erreicht. Es hatte länger gedauert, als sie gedacht hatte und ihr Herz raste, als gäbe es kein Morgen mehr. Sie war wie benommen von der gerade bewältigten Anstrengung und sie merkte, wie die Schweißtropfen an ihrer Stirn nur so herabperlten. Sie war erleichtert, glücklich und doch fühlte sie sich, als wäre sie kalt. Starr. 
Wie tot. 
Denn obwohl es immer noch weit mehr als 20 Grad Celsius warm war, fröstelte sie und eine fast lähmende Gänsehaut überzog ihren schlanken Körper. 
Reiß dich zusammen, es wird schon alles gut gehen, ermahnte sie sich, als erneut ein kalter Schauer ihren Körper durchfuhr. 
Sie versuchte sich zu beruhigen, doch es ging nicht. Sie keuchte. Sie war nach dem schweißtreibenden Marsch hinauf zur Wegscheide immer noch völlig außer Atem und sie spürte ihren Puls, der wie wild an ihren Schläfen pochte. Die Luft war schwer, trocken und staubig und es roch nach abgemähten Feldern und sattem Heu. 
Um sie herum war es dunkel. Einsam. 
Sie stand oben auf der Anhöhe und schaute zurück. Hinter ihr lag in der Talsenke in einem hellen Lichterglanz Nöggenschwiel, das Rosendorf des Schwarzwaldes und feierte. 
Das 27. Rosenfest. 
Die Königin der Blumen. 
Sie. 
Es war keine zwei Stunden her, da war sie zur neuen Rosenkönigin gekrönt und feierlich in ihr neues Amt eingeführt worden. Nun wartete ein Jahr voller Empfänge, Auftritte und Präsentationen auf sie. Ob als Blumen-Botschafterin im Ausland, gefragte Expertin auf Rosen-Messen oder touristisches Aushängeschild der gesamten, zwischen Rhein und Hochschwarzwald gelegenen Urlaubsregion – sie wusste, was in den kommenden zwölf Monaten alles auf sie zukommen würde. 
Würde, dachte sie, und schloss für einen kurzen Augenblick die Augen, während die warme Sommerluft ihren zarten, fast schon zerbrechlichen Körper streichelte. Ihre dunkelbraunen langen Haare tanzten, als der Wind auflebte und eine kräftige Brise über sie hinweg wehte. Nur mit Mühe konnte sie ihre Krone festhalten, die dem Wind durch ihre filigrane Form nahezu keinen Widerstand bot. Der schwarze, faltenreiche Rock ihres Trachtenkleids, dessen aus edlem Samt geschneiderter Brustbereich mit aufwendigen Goldstickereien dekoriert war, und die mit roten Rosen bedruckte Schürze flatterten im Spiel des Windes und legten dabei ihre schlanken, leicht gebräunten Beine frei. Der grobmaschig-gestrickten, weißen Kniestrümpfe hatte sie sich bereits kurz nach der feierlichen 
Zeremonie entledigt, nachdem die rund 2.000 Stimmen des teilnehmenden Publikums ausgezählt worden waren und sie mit fast 90 Prozent Zustimmung zur klaren Siegerin der diesjährigen Wahl zur Rosenkönigin gemacht hatten. 
Schon als kleines Mädchen hatte sie sich nichts sehnlicher gewünscht, als einmal Rosenkönigin zu werden. 
Immer und immer wieder hatte sie sich in Mamas Kleider gehüllt, eine selbst gebastelte Krone ins Haar gesteckt und sich vor dem Spiegel gedreht, um im Anschluss daran ihren Puppen und Kuscheltieren ihre selbst verfasste Rede als frisch gekrönte Rosenkönigin zum Besten zu geben. 
Das war zehn Jahre her. Nun war ihr Traum, ihr größter Wunsch endlich in Erfüllung gegangen. Aber was hatte sie davon? Sie wusste, dass sie ihren Traum nie würde ausleben können. Denn sie würde ihn gegen einen noch viel schöneren eintauschen. Einen Traum, der nicht nur endlich wahr werden, sondern von jetzt auf gleich ihr gesamtes Leben verändern würde. 
Unter ihr flackerten in den Straßen rote, gelbe und weiße Lampions, die den Ort in ein warmes Licht tauchten. Das ganze Dorf – und mit ihm mindestens noch mal so viele Touristen, Urlauber und Rosenliebhaber – war auf den Beinen, denn niemand wollte sich das Ereignis des Jahres entgehen lassen. Das Rosenfest war alljährlich der Höhepunkt eines schönen und warmen Sommers in Nöggenschwiel. Das Rosendorf, das an 360 Tagen des Jahres einen romantisch-verträumten Dornröschen-Schlaf hielt, blühte am Wochenende des Rosenfestes so richtig auf, um danach wieder in seine ewige Ruhe zu versinken. Doch zuvor feierte man die Königin der Blumen mit dem Rosenumzug am Sonntagnachmittag und der Wahl der Rosenkönigin am Abend davor. 
Die Ferienwohnungen, Apartments und Zimmer waren auf Jahre im Voraus gebucht und die Stammgäste genossen die Feierlichkeiten, die es in dieser traditionellen Art und Weise in keinem anderen Rosendorf Deutschlands gab. Ob Hinweisschilder, Straßenlaternen oder Fensterbretter – alles war mit Rosen verziert, mit Blumenarrangements dekoriert und bunten Girlanden geschmückt. Vor allem die Gärten, Pavillons und Beete waren ein einziges Blumenmeer in den schönsten Farben und nicht selten waren sie Motive für verschiedene Pflanzen- und Naturkalender. 
Und das alles würde sie jetzt hinter sich lassen. Sie strich sich ihre Haare aus dem Gesicht. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie freute sich auf das, was kommen sollte, wenn da nicht dieser furchtbare Streit gewesen wäre. Ein Streit, der fast alles kaputt gemacht hatte. Aber daran wollte sie jetzt nicht denken. Nicht jetzt. 
Sie zitterte erneut. 
Aus dem linken Augenwinkel sah sie, wie das Scheinwerferlicht eines Autos zwischen den Tannen und Fichten des kleinen Wäldchens an der nahe gelegenen Bundesstraße unruhig hin und her tanzte. Unwirklich – wie kleine Sterne am Horizont – flackerten die kleinen gelben Punkte, die langsam immer größer wurden, je näher der Wagen kam. Sie ging etwas von der Straße herunter, als das Auto sie fast erreicht hatte. Für einen Moment hatte sie das Gefühl, der Fahrer hätte aufgeblendet und sie grüßen wollen. Doch er machte keine Anstalten, die Geschwindigkeit seines Wagens zu drosseln, sondern rauschte an ihr vorbei und hinterließ sie wieder sich und dem Sommerwind. 
Es wird schon alles wieder gut werden. Er kriegt sich schon wieder ein. Er liebt mich doch, dachte sie, als sie dem Wagen gedankenverloren hinterher sah. Er würde sie schon gleich abholen kommen und wie versprochen endlich mitnehmen. 
Sie schloss die Augen. Trotz all der Ungewissheit fühlte sie sich frei, ungezwungen, glücklich. Und doch war es ein Glück mit einem bitteren Beigeschmack. Denn sie wusste, sie würde ihren Vater so sehr verletzen, wie das noch kein Mensch zuvor getan hatte. 
Sie stellte sich gerade sein Gesicht vor, wie er erst nach Luft ringen, dann furchtbar wütend werden und anschließend heulend zusammen brechen würde, wenn sie ihm von ihrem Weggang erzählte. 
Ihr Vater. Er war ihr Ein und Alles. Und sie seiner. Das wusste sie und das nicht erst seit dem Zeitpunkt, als vor einem halben Jahr ihre Mutter von jetzt auf gleich mit einem Lehrerkollegen durchgebrannt war. Und nun würde sie durchbrennen und ihrem Vater ebenfalls das Herz brechen. Aber es ging einfach nicht anders, und er würde es sicherlich verstehen, wenn erst einmal ein wenig Zeit ins Land gegangen sei, redete sie sich ein und beglückwünschte sich dabei selbst zu ihrem genialen und doch so einfachen Plan. 
Denn sie wollte, sie musste fliehen. 
Vor dem Dorf. 
Vor den Menschen. 
Vor ihm. 
Schon wieder hatte er sie angesprochen. Nur dieses Mal hatte er es nicht heimlich getan, wie so oft, wenn er sie vor der Kirche, an der Bushaltestelle oder nach dem Einkauf im Lädele abpasste. Er hatte sie vor allen Leuten und mitten auf der Tanzfläche der Rosendorfhalle angesprochen. Er hatte so stark geschwitzt, dass der Schweiß als kleine Rinnsale an seinen Schläfen entlang nach unten gelaufen war. Seine Finger hatten nervös am untersten Knopf seines kurzärmeligen Karohemdes gespielt, als er sie angesprochen hatte. 
„Hallo!“ 
Er hatte gezögert und vorsichtig nach links und rechts geschaut, ehe er fortgefahren war: „Gut siehst Du aus. Fast zu schön, um wahr zu sein.“ Seine Augen hatten kurz aufgeblitzt und ein Funkeln in sich getragen, das ihr jetzt noch einen unheimlichen Schauer über den Rücken laufen ließ. 
Sie war so perplex gewesen, dass sie ihn irritiert angestarrt hatte. Nicht imstande, irgendetwas darauf zu erwidern. „Danke“, war das einzige, was ihr über die Lippen gekommen war. 
Er hatte süffisant gelächelt und sie von oben bis unten bewundert. Fast so, als wollte er sie mit seinem Blick in sich aufsaugen. 
Ein Teil von ihr sein. 
„Schenkst Du mir einen Tanz?“, hatte er gefragt und sie erinnerte sich, wie das Funkeln in seinen Augen einem tiefen Verlangen gewichen war. 
„Ich … Ich … will mich nur kurz frisch machen“, hatte sie mehr gestottert als geantwortet, in der Hoffnung, er würde ihr jetzt keine Szene machen. So war sie dann schnell zu den Waschräumen geeilt. Kurz vor den Toiletten war sie scharf nach rechts abgebogen und durch den Seitenausgang der Halle ins Freie geflüchtet, um das Rosenfest, die vielen Menschen und vor allem ihn endlich hinter sich zu lassen. 
Sie musste noch einmal tief durchatmen. So langsam machte sie sich Sorgen, wo ihr Lebensretter denn nun endlich bleiben würde. Nun stand sie bereits weit mehr als 30 Minuten auf der Anhöhe und wartete auf ihn. Sie konnte den süßen Duft der Freiheit schon förmlich riechen. Mit ausgebreiteten Armen drehte sie sich im Wind und spürte das Leben. 
Ihr Leben. 
Plötzlich hatte sie das Gefühl, dass sie nicht alleine war. Sie stoppte ihren Tanz und hörte in die Stille, die nur vom Säuseln des Windes und dem Zirpen der Grillen unterbrochen wurde. Weit entfernt hörte sie das sanfte Rauschen der Bäume und die ausgelassenen und fröhlichen Stimmen der an der Rosendorfhalle feiernden Menschen, auch wenn der entgegen gesetzt wehende Wind es nicht schaffte, Laute, Wortfetzen oder gar ganze Sätze aus der Talsenke hinauf über den Hügel der Anhöhe zu tragen. 
War da jemand? Ein Schatten? Doch es war dunkel, stockdunkel. Straßenlaternen gab es an dieser Weggabelung keine und das diffuse Mondlicht war zu kraftlos, um für ein bisschen Helligkeit zu sorgen. Ein schwacher Schleier, seidengleich, hatte sich vor den Mond gelegt und hüllte ihn ein. Fast so, als hätte jemand ein Gefäß aus Milchglas über ihn gestülpt und sein Licht darin gefangen, so wie kleine Jungs Glühwärmchen fangen, um sich an ihrem Leuchten zu erfreuen. 
„Schatz, bist Du’s?“, fragte sie mit leicht zittriger Stimme in die stille, dunkle Nacht. Doch niemand antwortete ihr. 
Hatten ihre Augen sie also nur getäuscht? Oder war es gar das eine Glas Rosenschnaps zu viel gewesen, das ihre Sinne beeinträchtigte und ihre Wahrnehmung trübte? 
Panik machte sich in ihr breit. Wo ist er nur, fragte sie sich, als sie plötzlich jemanden hinter sich atmen hörte. 
Kapitel 1 
15 Jahre später 
Freitag, 16. November 2012 
Es war ihr erster längerer Urlaub seit ihrer Beförderung zur Kriminalkommissarin vor dreieinhalb Jahren. Endlich Ferien, Entspannung, und ganz viel Ruhe, dachte Emma Hansen, als sie zum Hit „All the single ladies“ von Beyoncé fröhlich mitsingend an einem grauen Novemberfreitag über die Bundesstraße B500 von Titisee-Neustadt kommend weiter Richtung Süden durch die Höhen des Südschwarzwaldes fuhr. 
Vorbei an einzelnen Gehöften, Wiesen und Feldern, abgemäht und kahl daliegend, die von einem guten Sommer mit viel Heu für die Kühe erzählten. Kleine Waldstücke grüßten entlang der kurvigen Straße, auf der um diese Uhrzeit viel Verkehr herrschte. 
Familienväter, die zu ihren Liebsten nach Hause unterwegs waren, Laster und Transporter, die noch schnell vor dem Wochenende ihre Ladung abliefern wollten, und Urlauber aus den verschiedensten Regionen Deutschlands waren genauso darunter wie Schweizer und Niederländer. Einige mit Wohnwagen, andere mit Fahrradträgern und selbst ein kleines Boot konnte sie auf einem Anhänger entdecken. 
Die machen hier sogar zu dieser trostlosen Zeit Ferien, stellte Emma etwas überrascht fest, als ihr gerade ein Fahrzeug mit einem gelb leuchtenden Kennzeichen entgegen kam. Eine Zeit, die eher zu innerer Einkehr und Besinnlichkeit denn zu Spaß und Abenteuerlust einlud. 
Emma faszinierte die Trostlosigkeit grauer Novembertage, auch wenn sie früher mit ihren Eltern stets in den Sommerferien für zwei Wochen nach Nöggenschwiel gefahren war und daher die besondere Schwere, die jetzt oberhalb der Baumwipfel vorherrschte, nur von Erzählungen kannte. Es war eine Schwere an einem Ort der Abgeschiedenheit, an dem sich an lauen Sommerabenden junge Paare bei einem Picknick auf den angrenzenden Wiesen verliebt in die Augen schauten oder die Dorfältesten im Rosenpavillon am Nöggenschwieler Rathaus engagiert und wortreich über die Politik der Bundesregierung diskutierten und dabei wie immer und völlig übereinstimmend feststellten, das früher irgendwie alles besser gewesen war. 
Emma erinnerte sich auch an die Grillabende des örtlichen Fußballvereins, die Vereinsmeisterschaften des Tennisclubs und vor allem an das alljährlich stattfindende Rosenfest, das sie als junges Mädchen und selbst noch als pubertierender Teenager so geliebt hatte. 
An Novembertagen wie diesem jedoch zog sich die Welt in ihre tiefste Traurigkeit zurück. Eine Zeit, in der man am liebsten dieser Atmosphäre entfloh anstatt in sie hinein zu tauchen. 
Emma aber brauchte es, einfach mal in die bewusst gewollte Einsamkeit zu entfliehen. Ihr Job war stressig genug, bot kaum Auszeiten und Erholungsphasen, weshalb sie auch schon das für sie so wichtige Formationstanzen auf ein Minimum reduzieren musste. Daher freute sie sich jetzt auf eine Woche des geplanten Nichts-Tuns, die mit dem 60. Geburtstag ihres ehemaligen Ferien-Vermieters Georg Villinger ihren krönenden Abschluss finden sollte. 
Sechs Mal war sie mit ihren Eltern Knut und Margit Hansen in die Ferienwohnung der Villingers nach Nöggenschwiel gefahren. Zuletzt als sie 17 Jahre alt gewesen war und das lag nun schon 15 Jahre zurück. 
Damals war die kleine Welt noch in Ordnung, dachte sie, während sie am Regler des Radios ihres Minis rumspielte, um einen besseren Empfang zu bekommen. Ihre Eltern hatten sich, wie so viele andere Eltern ihrer Freunde und Klassenkameraden auch, scheiden lassen, obwohl sie und ihr Bruder Erik alles dafür getan hatten, dass die heile Welt, die ihnen stets vorgegaukelt wurde, nicht aus den Fugen geriet. 
Doch alles Bitten und Betteln, Jammern und Lamentieren hatte nichts geholfen, die Ehe war auseinander gegangen, weil ihr Vater lieber mit einer Jüngeren die Welt bereisen wollte als mit ihrer Mutter. So jedenfalls hatte es Emmas Oma Leni ihr vor einigen Jahren erzählt. 
Sie fuhr langsamer und schaltete vorsichtshalber schon einmal einen Gang herunter, um die Abzweigung von der B500 in Richtung Weilheim nicht zu verpassen. An der nur wenige Meter entfernten Tankstelle herrschte Hochbetrieb, denn erst heute Morgen hatte der Ölpreis wieder um einige Dollar nachgegeben und die hiesigen Preise waren gleich um drei Cent gefallen. 
So hatte sie nach dem Verlust ihres Vaters um die Liebe ihrer Mutter gekämpft, bis sie eines Tages resigniert feststellen musste, dass es keinen Platz für sie im Herzen ihrer Mutter gab, denn für Margit zählte immer nur Emmas Bruder Erik. 
Erik. Ihr drei Jahre älterer Bruder, der sich als zweifacher Familienvater mit Gelegenheitsjobs über Wasser hielt und das Leben so nahm, wie es kam: Am Morgen geht die Sonne auf, am Abend geht sie unter und dazwischen schauen wir, was der Tag so alles für einen bereit hält. Das ihre Eltern und vor allem ihre Mutter mit Eriks Lebenskunst nichts anfangen konnten, war das eine. Dass sie Emmas Eigenschaften lieber in ihrem Sohn vereint gesehen hätten, das stand auf einem ganz anderen Blatt. Und es war eben die Tochter, die genau das auf so unterschiedliche Arten zu verstehen bekam. 
„Aber wer hört denn Muttern zu, wenn sie sich in ihrem Liebeskummer mal wieder so richtig suhlen will oder wer fährt zu ihr hin, wenn sie wieder droht, sich umzubringen, weil sie nicht mehr weiterweiß? Doch das zählt ja alles nicht. Warum auch“, sagte Emma laut zu sich. 
Doch das Schlimmste ist, dass ich mir immer wieder anhören darf, was aus mir hätte werden können, wenn ich mich nur etwas mehr angestrengt hätte. Ärztin. Rechtsanwältin. Ja vielleicht sogar Professorin, dachte sie und äffte ihre Mutter nach, die keine Möglichkeit ausließ, Emmas aus ihrer Sicht falsche Berufswahl unter die Nase zu reiben. 
Mein Weg war eben ein anderer. Ich wollte immer zur Polizei. Zur Kripo, dachte Emma und musste bei dem Gedanken daran automatisch an ihren geliebten Opa denken, der einst Kommissar bei der Kopenhagener Mordkommission gewesen war. 
Sie lächelte, während sie für einen kurzen Moment in den Rückspiegel sah. Große, wache, blaue Augen strahlten sie an, die von einer fein geschnittenen Nase und einer breiten Denkerstirn eingerahmt wurden. Ihre Lippen waren voll, wenn auch heute etwas blass, wie sie sich eingestehen musste. Dafür glänzte auch an diesem tristen Novembertag ihr Haar in einem hellen und typisch nordischen Blond. Doch das auffälligste Merkmal ihres Gesichtes war ihr kleines, zart modelliertes Grübchen am Kinn, das ihr nicht nur diesen frech-verträumten Gesichtsausdruck verlieh, sondern das sie auch so an ihren Großvater erinnerte, hatte doch auch ein ebensolches seinen charismatisch-markanten Charakterkopf gekrönt. 
Mit einem tiefen Seufzer konzentrierte sie sich wieder auf den immer stärker werdenden Verkehr in der langsam einsetzenden Dämmerung. Sie wartete noch einen Transporter einer Umzugsfirma ab, ehe sie ihren Wagen nach links lenkte, um auf die Kreisstraße in den dunklen Hain aus Fichten und Tannen abzubiegen. 
Schon damals als Teenager faszinierte Emma diese Ansammlung majestätischer Bäume, die wie ein großes schmiedeeisernes Tor ein fremdes Land beschützten und erst dann Meter für Meter zur Seite wichen, wenn der Eindringling ihnen genehm war. 
Vorsichtig steuerte sie ihren Wagen durch das kleine Wäldchen und meinte, von der Welt, aus der sie vor einer halben Minute noch gekommen war, völlig abgeschnitten zu sein. 
Wie ein großes gefräßiges Maul hatten die Fichten und Tannen sie und ihren Wagen verschluckt, um sie erst nach knapp drei Minuten wieder aus dem schwarzen Nichts auszuspucken. 
Vor ihr lagen nun die ersten Äcker, die bereits zur Gemarkung Weilheim gehörten. Wie verschrumpelt und zusammengezogen ruhte die aufgewühlte Erde auf den Feldern. Ein schwacher, weißlicher Reif kündigte bereits schon jetzt einen frostigen und eisigen Winter an. 
Frostig und eisig waren auch die beiden Worte, mit denen sie die Beziehung zu ihrer Mutter am liebsten beschrieb. Selbst ein Einser-Schnitt an der Landespolizeischule konnte ihre Mutter nicht davon überzeugen, dass Emma sich für das Richtige entschieden hatte. 
„Eine Frau gehört einfach nicht zur Polizei, erst Recht nicht zur Mordkommission“, erinnerte sie sich an die Worte ihrer Mutter. Und gerade deshalb wollte sie es ihr zeigen und gleichzeitig das Andenken ihres Großvaters in Ehren wahren. Er wäre wenigstens stolz auf mich, dachte Emma und erinnerte sich an die vergangenen vier Jahre zurück, in denen sie sich ins Studium und die praktische Ausbildung gestürzt, jeden angebotenen Lehrgang belegt und verschiedene Zusatzqualifikationen – von psychologischer Beratung bis hin zu einem Seminar zur Profilerstellung von Vergewaltigern – absolviert hatte, um dann kurz vor ihrem 29. Geburtstag endlich da zu sein, wo sie immer hin wollte. Noch heute dachte sie mit einem breiten Grinsen daran, wie Ausbildungsleiter Manfred Engel beim festlichen Empfang ihr als Jahrgangsjüngste und gleichzeitig beste Frau in einer von Männern dominierten Ausbildungsklasse die Urkunde zur Kriminalkommissarin überreicht hatte. 
So langsam näherte sie sich der Abzweigung nach Nöggenschwiel. Fern am Horizont, Richtung Schweiz, bauten sich die ersten dunklen Wolken auf, die unmissverständlich Regen ankündigten, während Emma die Kreisstraße entlang in den abgelegenen Ort fuhr. 
Vorbei am Fußballplatz und der putzig anmutenden Tennisanlage führte sie der Weg zum Ortsmittelpunkt, dem kleinen Gemischtwarenladen, den jeder nur das „Lädele“ nannte. Dort parkte sie ihren Wagen auf dem Kirchvorplatz, als die Uhr der St. Stephan-Kirche gerade ein Mal schlug und betrat den Laden. Wie sie auf ihrem Handy lesen konnte, war es kurz nach halb sechs und die früh einsetzende Nacht hatte fast das gesamte Licht des Tages geschluckt. 
Da Emma nicht genau wusste, worauf sie Hunger hatte, wollte sie erst einmal die kurzen Gänge durchstreifen, in der Hoffnung, hier eine Inspiration zu finden. So ging sie vorbei an der Gemüse- und Obstauslage in Richtung Kühltheke ans hintere Ende des kleinen Geschäfts. Auch wenn das argentinische Rückensteak mehr als appetitlich aussah, so hatte Emma nach der langen Fahrt keine Lust, sich jetzt noch an den Herd zu stellen und zu kochen. 
Also doch lieber Dosen-Ravioli, überlegte sie, um im nächsten Augenblick diesen Gedanken gleich wieder zu verwerfen, da sie sich nach unzähligen Fernsehberichten über die Qualität solcher Lebensmittel geschworen hatte, nur im aller äußersten Notfall auf Fertigprodukte und Tütensuppen zurückzugreifen. Und das hier war eindeutig kein Notfall. 
So entschied sie sich für den abgepackten, aber im Hochschwarzwald hergestellten Kochschinken, Tomaten, Büffel-Mozzarella, einen Joghurt mit 0,1 Prozent Fett, ein Liter Milch und eine Tüte Gummibärchen und ging damit an die Kasse. 
„Sie waren jetzt wirklich meine Rettung, sonst hätte ich noch nach Waldshut fahren müssen“, sagte Emma zu der Frau hinter der Theke, die sie mit großen Augen betrachtete. 
„Ja, wir haben seit kurzem freitags immer bis um 19 Uhr geöffnet. Aber ... Irgendwo her kenne ich sie?“, fragte die Frau und starrte Emma noch intensiver an. 
„Emma? Emma Hansen, richtig? Das gibt's doch nicht? Was machst Du denn hier?", begrüßte Maria Reisinger Emma so stürmisch, das sie dabei fast den vor der Theke aufgestellten Warenkorb mit den Sonderangeboten umgerissen hätte. Eine Kundin, die gerade ein geschnittenes Bauernbrot bestellen wollte, schaute der Lädele-Verkäuferin etwas irritiert hinterher, als diese Emma in den Arm nahm und fest an sich drückte. 
„Wie geht es Dir? Gut siehst Du aus.“ 
„Danke. Das ist nett. Sie aber auch, Frau Reisinger. Ich wusste gar nicht, dass sie jetzt hier im Lädele arbeiten“, bemerkte Emma leicht erstaunt. Als enge Vertraute der Familie ihrer Ferien-Freundin Charlotte hatte Emma sie des öfteren bei Nägeles angetroffen. Von diesen Treffen wusste sie auch, dass Maria Reisinger damals noch als Pharmareferentin tätig gewesen war. 
Emma schaute Maria Reisinger mit anerkennender Bewunderung an. Maria Reisinger war Ende Fünfzig und ihre Haare waren nicht nur auffallend elegant toupiert, sondern schienen auch in einem hellbraunen, fast bernsteinfarbenen Ton gefärbt zu sein. Sie trug eine dunkelblaue Bluse und eine teure Markenjeans, dazu Perlenohrringe samt Kette und ihre Nägel waren frisch lackiert. 
„Schon seit fast neun Jahren arbeite ich jetzt hier ehrenamtlich“, antwortete Maria Reisinger. „Und es macht mir immer noch sehr viel Spaß, auch wenn es manchmal etwas anstrengend ist. Aber lass' uns von etwas Anderem sprechen. Wie viele Jahre habe ich Dich jetzt nicht gesehen? Zehn? Zwanzig?“ 
„Fünfzehn, um genau zu sein. 1997 waren wir das letzte Mal in den Ferien hier.“ 
Ich weiß, ich hätte schon viel früher wiederkommen sollen, aber irgendwie kam irgendwie immer etwas dazwischen, dachte Emma. Aber sie wusste, dass sie sich das nur einredete. Warum war sie wirklich nie nach Nöggenschwiel zurückgekehrt? Waren es etwa die schönen Erinnerungen an eine glückliche und geborgene Kindheit, an eine längst vergangene Zeit? Und waren es eben genau diese Erinnerungen, die sie am liebsten ganz weit von sich wegschieben wollte, weil sie wusste, dass diese Zeit, dieses Glück nie mehr zurückkommen würde? 
„Schön, dass Du wieder da bist, auch wenn Du sicherlich vieles nicht mehr wiedererkennen wirst“, sagte Maria Reisinger und verschwand wieder hinter ihrer Theke, um das von der Kundin bestellte Bauernbrot in die Brotschneidemaschine zu legen. 
„Ja, und ich freue mich, viele Bekannte von damals endlich wiederzusehen und das nicht erst an Herrn Villingers Geburtstagsparty“, sagte Emma stellte ihre Lebensmittel auf die Theke. 
„Wie schön, da werden wir uns dann ja auch wieder sehen“, erwiderte Maria Reisinger und versuchte dabei, das laute Schneiden mit ihrer noch lauteren Stimme zu überdecken. „Dass heißt also, Du bleibst länger im Rosendorf?“ 
„Ja. Ich reise erst nächste Woche Sonntag wieder ab.“ Emma genehmigte sich einen letzten Blick durch den Laden, ob sie noch etwas entdeckte, was sie unbedingt noch brauchen oder worauf sie noch Hunger haben könnte. 
„Vorher möchte ich noch unbedingt Charlotte besuchen. Ich habe sie ja zuletzt wenige Stunden vor unserer Abfahrt gesehen. Ist sie damals nicht sogar Rosenkönigin geworden? Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie aufgeregt sie war. Ob sie überhaupt hier noch wohnt?“, fragte Emma mehr sich selbst als Maria Reisinger. 
Als sie sich wieder umdrehte, sah sie das versteinerte Gesicht der Lädele-Verkäuferin. 
„Frau Reisinger, alles in Ordnung mit Ihnen? Sie sehen auf einmal so blass aus …“ 
Stille. Es war, als ob von jetzt auf gleich das Leben aus der temperamentvollen Frau gewichen war. 
„Frau Reisinger?“ 
„Nein, nein, es geht schon. Aber als Du den Namen Charlotte ...“ Maria Reisinger stoppte mitten im Satz. Ihre Gesichtszüge verkrampften sich und sie kämpfte mit den Tränen. „Ich habe sie so geliebt. Sie war wie meine Tochter. Warum habe ich bloß nicht besser auf sie aufgepasst?“ 
Sie stand hilflos hinter der Theke, schluchzte und schaute gedankenverloren aus dem Fenster. Emma kramte in ihrer Jackentasche nach einem Taschentuch, doch außer einer eingerissenen Kinokarte konnte sie nichts finden. 
„Wie meinen Sie das, Sie hätten besser auf sie aufpassen sollen? Auf Charlotte? Warum? Was ist denn passiert“, fragte Emma, noch immer irritiert wegen der Worte ihres Gegenübers. 
„Ich dachte ...“, wieder unterbrach Maria Reisinger, die zwischenzeitlich in ihrer Jeans ein Stofftaschentuch gefunden hatte, und schnäuzte kräftig in das mit ihren Initialien bestickte Tuch. 
„Ich war immer der Meinung, ihr seid Freundinnen gewesen und Du wüsstest Bescheid“, sagte sie, nachdem sie sich etwas beruhigt hatte. 
„Nein, also, nicht wirklich. Also es war nur eine Ferienfreundschaft. Wir haben in den Jahren, in denen ich hier war, einiges unternommen, viel Spaß miteinander gehabt und uns auch das ein oder andere Geheimnis anvertraut. Aber da ging es eher immer um süße Jungs, blöde Lehrer oder die langweiligen Eltern. Sie wissen schon. Dazwischen hatten wir keinen Kontakt.“ Dafür waren unsere Leben auch zu verschieden, ergänzte Emma in Gedanken. 
„Das erklärt natürlich einiges“, schluchzte Maria Reisinger. 
„Aber was ist denn jetzt mit Charlotte passiert?“ Mittlerweile war Emmas Geduld nahezu erschöpft und sie fing schon an, mit ihren Fingern an ihren Einkäufen herumzuspielen. 
„Hat sich denn Lottis Vater nie bei Dir gemeldet?“ 
Lotti? Ich wusste gar nicht, dass das ihr Spitzname war, dachte Emma und fragte sich, wer Charlotte mit diesem fürchterlichen Kosenamen bedacht hatte. 
„Nein, wieso sollte er? Ich glaube, die Nägeles hatten noch nicht einmal unsere private Telefonnummer.“ 
Maria Reisinger schluchzte erneut: „Weil Charlotte seit dem Abend ihrer Krönung zur Rosenkönigin verschwunden ist.“ 
Kapitel 2 
Eingerahmt von hohen Tannen schlängelte sich der steinerne Weg durch das dunkle Paradies. 
Sein Paradies. 
Ein Goldregen, der sein Gold längst verloren hatte, grüßte mit seinen langen, dünnen, Fingergleichen Ästen. Vorbei an einer jungen Blautanne gelangte er zu seinem größten Schatz. Jeden Tag kam er hierher. Es war ein Ritual, ein fester Brauch. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann er das erste Mal hier gewesen war. Nur, dass es schon sehr lange her sein musste. Es war der einzige Ort, der ihm Kraft gab, an dem er sich sicher fühlte. 
Das Gewächshaus war weder von der Straße noch vom angrenzenden Nachbargrundstück aus zu sehen. Zu geschützt stand es hinter einer blickdichten Mauer aus Tannen und Rhododendronbüschen. 
Mit seiner Taschenlampe leuchtete er sich den Weg in sein verwunschenes Reich, als er die hohen Bäume und die immergrünen Pflanzen passierte. Als er endlich am Gewächshaus angekommen war, ließ er den Lichtstrahl vorsichtig über den mit Rosensträuchern zugewachsenen Glaspavillon gleiten. 
Es tut so gut, endlich wieder hier zu sein, dachte er und holte tief Luft. 
Der erste Frost hatte den Rosen zugesetzt. Jedoch seine Lieblinge im Inneren des Gewächshauses waren vor der Kälte geschützt. 
Vorsichtig versuchte er, die Klinke der Eingangstür herunterzudrücken. Er rutschte aber immer wieder ab und musste die andere Hand zur Hilfe nehmen, so sehr zitterte er. 
Du musst ruhig bleiben, redete er sich beschwichtigend ein, als er es endlich geschafft hatte. 
Angespannt, fast ängstlich betrat er das Gewächshaus. Für einen kurzen Moment hielt er inne. Die hohe Luftfeuchtigkeit umhüllte ihn, während er den stickigen Duft von Dünger, Torf und Erde einatmete. 
Mit zittrigen Fingern kramte er ein kleines Windlicht aus seiner Jackentasche. Vorsichtig stellte er es vor seine Lieblingsrose, die noch eine einzige Blüte aufwies. Mitte November, bei guter Pflege und genügend Licht, kam sie noch einmal hervor, bevor sie, wie alle anderen Rosenarten auch, den langen Winterschlaf antrat. 
Er nahm die Streichholzschachtel, die er in einer Schublade eines kleinen Tisches verstaut hatte und die schon etwas mitgenommen und an einigen Stellen bereits aufgeweicht war und versuchte, ein Streichholz zu entzünden. Doch seine Finger schafften es nicht, das Streichholz schnell genug über die Reibefläche zu ziehen. 
Er fluchte, als er merkte, dass das Zündholz auseinander gebrochen und für einen erneuten Versuch unbrauchbar geworden war. So aufgeregt war ich doch schon lange nicht mehr, grübelte er und atmete noch einmal tief durch, in der Hoffnung, damit seinen galoppierenden Puls etwas beruhigen zu können. 
Doch erst beim vierten Versuch schaffte er es, ein Streichholz zu entzünden und die kleine Kerze im Windlicht zum Brennen zu bringen. 
„Pass’ gut auf Dich auf, mein Engel. Schlaf gut. Morgen bin ich wieder da“, sagte er und glitt so unbemerkt aus dem Gewächshaus wie er wenige Minuten zuvor gekommen war. 
Beim Davonhuschen summte er leise das Kinderlied, das ihn an seine Jugend erinnerte, als er sie zum ersten Mal in Nöggenschwiel gesehen hatte: „Sie gleicht wohl einem Rosenstock, drum liegt sie mir am Herzen. Sie trägt auch einen roten Rock, kann züchtig freundlich scherzen. Sie blühet wie ein Röselein, die Wänglein wie das Mündelein. Liebst Du mich, so wie ich Dich, mein Röslein auf der Heiden.“ 
Kapitel 3 
Samstag, 17. November 2012 
„Herbert, soll ich Dir noch etwas Anderes mitbringen als Eier, Brötchen und die Bild-Zeitung?“, fragte Luise Kampmann ihren Mann, der im kleinen Badezimmer der Ferienwohnung seiner Morgentoilette nachging und gespannt den 7-Uhr-Nachrichten im Radio lauschte. 
Ein Grummeln signalisierte ihr, dass er keine weiteren Wünsche mehr hatte und so zog sie sich ihre festen Schuhe an und streifte sich ihren grauen Winteranorak, an dessen Armen jeweils drei blaue Streifen abgesetzt waren, über ihr leuchtendgelbes Twinset aus Kaschmir. 
Bin ich froh, die dicke Jacke eingepackt zu haben, musste sie sich selbst loben, als sie den Schlüssel aus dem Türschloss des Apartments zog und an der Haustür von einer eisigen Kälte begrüßt wurde. Schon seit 23 Jahren fuhren die beiden Dortmunder nach Nöggenschwiel, doch zum ersten Mal im November. 
Späte Ferien in den meisten Bundesländern hatten dazu geführt, dass Roswitha Villinger, ihre Vermieterin, für den Oktober keine Plätze mehr frei hatte. Und auch wenn die Kampmanns schon ein Jahr im Voraus gebucht hatten, so hatte Roswitha Villinger die beiden inständig gebeten, ob sie dieses Jahr nicht ausnahmsweise einmal im November kommen könnten. 
„Sie sind doch beide Rentner, und na ja, Sie wissen ja, wie die Leute mit Kindern so sind. Gerne viel Platz, ein zusätzliches Kinderzimmer, Badewanne und ein großer Fernseher sollten es schon sein und das hat bis jetzt eben nur das Apartment, das Sie immer buchen“, hatte die sanftmütige, wenn auch energische Vermieterin erklärt und den Kampmanns einen Rabatt von fünf Prozent in Aussicht gestellt. Ein Angebot, das sich Herbert Kampmann als ausgewiesener Geizkragen nicht hatte nehmen lassen. 
So waren die beiden Ruhrpottler, wie Roswitha Villinger das Ehepaar liebevoll nannte, eben erst im November angereist. 
In Gedanken versunken, was sie heute wohl unternehmen könnten, machte sich Luise Kampmann auf zum Lädele, das Samstagmorgens bereits um 7 Uhr geöffnet hatte. Vor mehr als 30 Jahren war der ehemalige große Sitzungssaal im Rathaus zu einem kleinen Lebensmittelmarkt umgebaut worden, der sich nicht nur bei den Einheimischen, sondern auch bei den vielen Touristen großer Beliebtheit erfreute. 
© Text Jörg Böhm 
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Frage: Was singt der alte Bauer jeden Tag auf den Stufen der Kirche? 
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Die richtige Antwort schickt ihr bitte an adventsgewinnspiel2013@gmx.de (Betreff: 5. Türchen plus heutiges Datum) 
Einsendeschluss ist um Mitternacht. 
Der oder die Gewinner/in wird morgen ermittelt und von uns per Email benachrichtigt. 
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